Unter Islamophobie versteht der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) in Anlehnung an die OIC (Organization of the Islamic Conference) eine seit den 1980er Jahren im Westen zunehmende irrationale Aversion gegen den Islam und oder die Muslime.
Seit 2004 lässt sich statistisch europaweit eine stetige, der Tendenz nach von West- und Mitteleuropa ausgehende Eskalation des Phänomens nachweisen. Vor allem in Europa wird Islamophobie vornehmlich aber nicht exklusiv von rechtsbürgerlichen bis rechtsextremen Parteien wahlkampftaktisch geschickt mit der wieder salonfähigen Fremdenfeindlichkeit verknüpft. Dabei wird das Islamische als fremd, nicht zur westlichen Tradition gehörend karikiert und wie im Falle der Anti-Minarett-Debatte 2009 absichtlich mit kulturell bedingten Problemen, wie dem Ehrenmord oder der Mädchenbeschneidung in Verbindung gebracht.
Unter Islamophobie versteht der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) in Anlehnung an die OIC (Organization of the Islamic Conference) eine seit den 1980er Jahren im Westen zunehmende irrationale Aversion gegen den Islam und oder die Muslime.
Seit 2004 lässt sich statistisch europaweit eine stetige, der Tendenz nach von West- und Mitteleuropa ausgehende Eskalation des Phänomens nachweisen. Vor allem in Europa wird Islamophobie vornehmlich aber nicht exklusiv von rechtsbürgerlichen bis rechtsextremen Parteien wahlkampftaktisch geschickt mit der wieder salonfähigen Fremdenfeindlichkeit verknüpft. Dabei wird das Islamische als fremd, nicht zur westlichen Tradition gehörend karikiert und wie im Falle der Anti-Minarett-Debatte 2009 absichtlich mit kulturell bedingten Problemen, wie dem Ehrenmord oder der Mädchenbeschneidung in Verbindung gebracht.
Das vermehrte Auftreten von Islamophobie lässt sich genausowenig wie jede Art der Xenophobie oder des Antisemitismus in einer direkten Kausalität zu mikro- oder makropolitischen Vorgängen in der Welt erklären. Vielmehr ist das Phänomen als Produkt eines gesamtgesellschaftlichen Islam-Diskurses zu verstehen. Eine wichtige Rolle dabei spielen einerseits die Medien, welche oft ohne das nötige Fachwissen und in blinder Quotenwut ihre vielfach ganz säkularen Themen islamisieren (bsp. aus einem Familiendrama wird ein Ehrenmord) bzw. islamische Themen aus z.T. kulturell völlig differenten Kontexten aufgreifen und sie popularisieren (Burka in Afghanistan). Andererseits nutzen rechte Politiker wie Oskar Freysinger oder Lukas Reimann (SVP) jede erdenkliche Möglichkeit, dem Bürger das Fürchten vor einer angeblichen imminenten Islamisierung der Schweiz zu lehren. Dieser ständigen Angstproduktion folgt bald das Angebot nach Sicherheit und Kampf gegen die Islamisierung in Form von anti-islamischen Gesetzes- oder Verfassungsinitiativen (Minarett-Verbot, Niqab-Verbote etc.). Einmal in Gang gesetzt, lässt sich dieser selbstreferentiellen Angstindustrie nur noch mit grosser Mühe von aussen beikommen.
Unterscheidung zwischen Islamophobie und religionswissenschaftlicher Islamkritik
Nicht jede Form der Kritik am Islam oder an den Muslimen darf per se als islamophob motiviert gelten. Klar vom oben beschriebenen Muster grenzt sich die kritische Religionswissenschaft oder z.B. auch die Islamwissenschaft ab, sofern das Thematisierte einzelne Aspekte des Islamischen betrifft und nicht auf eine grundsätzliche Ablehnung oder Infragestellung seiner Selbstevidenz als Religionssystem ausgerichtet ist.
Allerdings verläuft die Grenze zwischen Kritik und Phobie in der Praxis fliessend. Dies manifestiert sich in gewissen feministischen Diskursen, die äusserlich zwar wissenschaftlich gekleidet auftreten, sich tatsächlich jedoch auf einem Feldzug gegen das islamische Frauenbild befinden. Dies betrifft insbesondere Kreise um Alice Schwarzer, die unter dem Vorwand der Frauenbefreiung, totalitär-feministische Ideen vertreten, welche der muslimischen Frau das Recht auf Selbstbestimmung ihrer Lebensführung absprechen und sich stattdessen für eine maternalistische Zwangsaufklärung stark machen (Kleidervorschriften).
Praktische Manifestation
Die OIC unterscheidet in ihrem dritten Jahresbericht zur Islamophobie von 2010 fünf Typen:
- In den Medien
- In intellektuellen / akademischen Diskursen
- In der Politik und der Gesetzgebung
- In Karikaturen
- Strukturelle Islamophobie
Hinsichtlich des Schweizer Kontexts spielen vor allem die Typen 1, 3 und 5 eine wichtige Rolle, wobei der Einfluss der Medien auf den Islam-Diskurs bereits oben genannt wurde.
Die Schweiz hat sich mit dem Minarett-Verbot ein prominentes Beispiel für den dritten Punkt, Islamophobie in der Gesetzgebung, eingehandelt. Obwohl der notorische Verfassungsartikel Art. 72, Abs. 3 bei weitem nicht die einzige Einschränkung auf gesetzlicher Ebene[1] darstellt, ist es doch der mit Abstand eklatanteste, da es keinen wie auch immer gearteten rationalen Grund geben kann, den Muslimen das Errichten von Sakraltürmen zu verbieten, während es z.B. den Christen oder Hindus weiterhin gestattet ist. Es handelt sich um eine offensichtliche Diskriminierung der Muslime, die unter keinen Umständen hingenommen werden darf.
Weit am deutlichsten spürbar im Alltag der Muslime ist jedoch die mittlerweile grassierende strukturelle Islamophobie. Darunter zu verstehen sind Benachteiligungen:
- Auf dem Arbeitsmarkt
- Auf dem Lehrstellenmarkt
- Auf dem Wohnungsmarkt
Daneben kommt es immer wieder vor, dass von Seiten einzelner Lehrer oder Schulvorsteher muslimischen Schülerinnen das Tragen des Hijabs untersagt wird. Zwar lässt sich bisher gegen solche Fälle mit einigem Aufwand noch ankämpfen. Für die betroffenen Kinder ist eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen Schule und Eltern jedoch höchst unangenehm und führt zudem nicht selten zu hitzigen Debatten bis hin zu Anfeindungen in der Wohngemeinde.
In den Bereich der strukturellen Islamophibie fallen auch Fälle, wobei Muslime einzig aufgrund ihres Glaubens als potentielles Sicherheitsrisiko für den Staat betrachtet und in der Konsequenz z.B. wie im Fall von Oberst Gibril Zwicker aus dem Aktivdienst der Schweizer Armee entlassen werden.[2] Weitere anhand min. eines Falles belegbare Beispiele summarisch zusammengefasst:
- Verweigerung der Einbürgerung wegen angeblich zu orthodoxer Glaubenspraxis
- Angebotsverweigerung: Muslimische Vereine klagen über Schwierigkeiten beim Mieten von Festsälen etwa für die Eid-Gebete oder andere islamische Feste. Selbst beim Verkauf von Liegenschaften zwecks Nutzung als Moschee kommt es immer häufiger zu Verweigerungen.
- Lehrerinnen wird das Tragen eines Hijabs während der Arbeit in der ganzen Schweiz verboten.[3]
- Schwimmunterrichtdispense werden mit Berufung auf die Integration praktisch nicht mehr bewilligt.[4]
- Verbale und seltener tätliche Attacken vor allem auf muslimische Frauen, wobei der Hijab als «fremd» identifiziert wird. In mehreren Fällen wird den angegriffenen Personen eine Ausreise aus der Schweiz z.B. nach Saudi-Arabien nahe gelegt.
- Einige private Arbeitgeber verboten Muslimen auf dem Firmengelände die Pflichtgebete zu verrichten (auch in den Pausen). Die Schweizer Armee verlangt von ihren Angehörigen, die fünf täglichen Pflichtgebete zusammengefasst am Abend zu verrichten, was islamrechtlich nicht zulässig ist.
Rechtliche Grundlagen
Rechtlich besteht in der Schweiz seit Annahme des Minarett-Verbots Unklarheit über den Schutzbereich des in der Bundesverfassung verbürgten Rechtsgleichheitsprinzips (Art. 8 BV) und damit verbunden auch inwiefern das Diskriminierungsverbot hinsichtlich der muslimischen Minderheit noch anwendbar ist.
Das Strafrecht kennt zudem den Art. 261bis StGB, welcher vor allem vor dem Hintergrund des Antirassismuskampfes sowie allgemein gegen die öffentliche Verunglimpfung von Minderheiten erlassen worden war. Er schützt namentlich Personen oder Gruppen vor systematischer Herabsetzung oder Verleumdung ihrer Rasse, Ethnie oder Religion wegen. Diese in der Theorie ehrbare Absicht erweist sich zum Schutz der muslimischen Minderheit vor Diskriminierung und öffentlicher Stereotypisierung als ziemlich zahnlos. Von 12 bei der EKR zwischen 1995-2009 erfassten Fälle unter der Opfergruppe «Muslime» kam es nur viermal zu einem Schuldspruch, wobei nur in einem einzigen Fall exklusiv anti-muslimische Hetze als Grund des Schuldspruches verzeichnet wird. In den anderen drei Fällen bezog ich die Hetze primär auf Juden oder Schwarze.
Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass nur in ganz seltenen Fällen und nur dann, wenn sich die Diskriminierung mit teils grossem Aufwand akribisch nachweisen lässt, überhaupt auf eine Strafanzeige eingetreten wird. Dennoch ist es aus statistischen Gründen wichtig, dass jeder mögliche Verstoss zur Anzeige gebracht wird, auch dann, wenn die Erfolgsaussichten für muslimische Opfer meist geringer sind als z.B. für jüdische.
Hijab-Verbote an Schulen sind rechtswidrig
Die EKR lehnt in ihrer bisher ausführlichsten Stellungnahme eine Hierarchisierung einzelner Menschenrechte zugunsten einer Einschränkung der Religionsfreiheit a priori ab. Sie kommt zum Schluss, dass ein Kopftuchverbot im Hinblick auf das Recht auf Religionsfreiheit «eine offenkundige Diskriminierung» darstellen würde und dass «diese direkte Diskriminierung rechtswidrig» sei. Zudem sei ein Kopftuchverbot nur auf das weibliche Geschlecht, Mädchen und Frauen, ausgerichtet und wirke somit in doppelter Weise diskriminierend. Individuelle Lösungen, welche die Rechte des Kindes und das Kindeswohl berücksichtigten, würden nicht angestrebt, sondern durch das Verbot verbaut.[5]
Bekämpfung
Phobien gegen Minderheiten sind ein Problem der Mehrheitsgesellschaft und erfordern Anstrengungen zur Eindämmung auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens. Dazu gehört in erster Linie Aufklärungsarbeit, das Abbauen von diffusen Ängsten sowie breit angelegtes kulturelles Gegensteuer z.B. über die staatlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Insbesondere Medienschaffende sind in der Pflicht, ihre Berichte und Karikaturen vor dem Hintergrund der Gefahr trivialer Stereotypisierung immer wieder neu zu hinterfragen.
Auf staatlicher Ebene gilt es gegen diskriminierende Gesetze und Verfassungsartikel auch entgegen kurzfristiger Wählergunst entschieden anzukämpfen. Macht sich einmal das Gefühl breit, das z.B. einem Minarett-Verbot Normalität zuschreibt, besteht die Gefahr, dass die Hemmschwelle für weitere vergleichbare Einschränkungen der Grundrechte sinkt und zwar nicht nur für Muslime. Die Diskriminierung einer Minderheit ist nicht eher moralisch gerechtfertigt, weil eine Volksmehrheit zustimmt!
Auch die Muslime sind ihrerseits in der Pflicht, durch vermehrte Teilnahme am öffentlichen Diskurs das heute weitverbreitete Zerrbild des Islams schrittweise zu korrigieren. Der Islamische Zentralrat vertritt die Devise: Öffentlichkeit schafft Vertrauen. Als äusserst schädlich hat sich in der Vergangenheit die unter den Kultur- und Migrationsvereinen stark verbreitete Leisetreterei erwiesen. Die Öffentlichkeit soll wissen, wer die Schweizer Muslime sind. Sie soll nicht nur über sie, sondern vor allem von ihnen hören. Sich vor den Medien zu verstecken schafft Misstrauen und eröffnet selbsternannten Islam-Experten das Tor zur Bühne, was letztlich zu einer aussen-perspektivischen diskursiven Machtstellung führt und die Möglichkeit auf Selbstdefinition der Muslime weiter einschränkt.
Vorfälle sofort melden
Die öffentliche Sensibilisierung für das Problem der Islamophobie funktioniert nur auf der Basis harter Fakten. Es ist daher äusserst wichtig, dass alle Fälle und wenn sie noch so unbedeutend erscheinen beim Islamischen Zentralrat (Abteilung ZDIS: Zentrale Dokumentationsstelle für Islamophobie in der Schweiz) gemeldet werden. Dies birgt nicht nur den Vorteil von rechtlicher Hilfeleistung und zuweilen auch finanzieller Opferunterstützung, sondern hilft uns in Zukunft aussagekräftige Statistiken z.H. der Öffentlichkeit zu publizieren.
Bern, 20.06.2011 / 17. Rajab, 1432
[1] Zu nennen wären etwa noch das allerdings aus antisemitischen Motiven bereits 1893 erlassene Schächtverbot oder der Zwang zur zivilrechtlichen Eheschliessung vor der kirchlichen oder das Polygamieverbot.
[2] Bundesverwaltungsgericht A-6275/2010