«Hinterwäldlerisch» finden Muslims die SVP
«Hinterwäldlerisch» finden Muslims die SVP

Am kommenden 9. Februar lässt die SVP in der St. Galler Gemeinde Au-Heerbrugg über das Kopftuchverbot in der Schulordnung abstimmen. Eine Annahme gilt als wahrscheinlich. Umsetzbar dürfte es dennoch nicht sein.

(qi) Der Fall sorgte für nationale Schlagzeilen und grosse Aufregung. Im vergangenen Juni wurden zwei muslimische Mädchen aus Somalia im St. Galler Rheintal vom Regelunterricht ausgeschlossen, weil sie sie auf ihrem Recht beharrten, im Unterricht ihr Kopftuch tragen zu dürfen. Der Schulrat kam jedoch bald zur Einsicht, dass der verfügte Ausschluss vom Regelunterricht unverhältnismässig ist und ein Kopftuchverbot die Religionsfreiheit der Schülerinnen ohne zwingende Notwendigkeit einschränkt. Rückblickend findet Schulratspräsident Walter Portmann den Ausschluss falsch, wie er gegenüber SRF sagte: «Wir waren blauäugig und haben die Empfehlung nicht hinterfragt.» Gemeint ist ein Kreisschreiben des St. Galler Erziehungsrates aus dem Jahr 2010, welches die Einführung eines Kopftuchverbots in allen öffentlichen Schulen des Kantons empfiehlt. Treibende Kraft hinter dem Kreisschreiben war der heutige St. Galler SVP-Regierungsrat Stefan Kölliker. Für ihn unterschied sich das Tragen eines Kopftuches nicht vom Tragen einer Woll- oder Schirmmütze. Den religiösen Charakter der muslimischen Kopfbedeckung anerkennt er nicht.

Die SVP war jedoch mit der vom Schulrat vorgeschlagenen Streichung des Kopftuchverbots an der Primarschule Au-Heerbrugg nicht einverstanden und ergriff das fakultative Referendum. Die Schulbürgerschaft stimmt nun am kommenden 9. Februar über das Kopftuchverbot im Schulunterricht ab.

Sollte das Referendum zugunsten der SVP ausgehen, müsste das Kopftuchverbot erneut in die Schulordnung aufgenommen werden. Ob es jedoch umsetzbar ist, bleibt offen. Würden die betroffenen Mädchen nämlich den Rechtsweg beschreiten, gelte bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens die aufschiebende Wirkung. So hat das St. Galler Verwaltungsgericht einem laufenden Verfahren in der Schulgemeinde St. Margreten am 7. November 2013 entschieden. Der Schulrat hatte es verpasst darzulegen, inwiefern das Tragen eines Kopftuchs den geordneten Schulunterricht tatsächlich stören soll.

Klare Rechtslage

In einem ähnlichen Fall im thurgauischen Bürglen erklärte das Bundesgericht letztes Jahr ein Kopftuchverbot an der Schule für unzulässig, weil eine gesetzliche Basis dafür fehle. Die Frage, ob allerdings ein gesetzlich verankertes Kopftuchverbot auch gegen die Verfassung verstösst, blieb dabei vorläufig noch unbeantwortet. Dennoch lässt sich der Tenor der aktuellen Bundesgerichtspraxis anhand des Urteils im Fall Bürglen klar ablesen: Eine Einschränkung der Religionsfreiheit ohne, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse hinreichend geltend gemacht werden kann, bleibt in der Schweiz auf richterlichem Weg unwahrscheinlich.

SVP will neue Gesetze

Den richterlichen Widerstand zur Strecke bringen, möchte die SVP über die Einführung eines neuen Kopftuch-Artikels. So will die St. Galler SVP im Kantonsparlament auf ein Kopftuchverbot im Volksschulgesetz hinwirken. Ein Vorstoss wurde bereits eingereicht. Bisher scheiterten schweizweit jedoch alle Versuche der rechts-konservativen SVP auf kantonaler Ebene, ein Kopftuchverbot einzuführen. Sollte sie auch im St. Galler Parlament scheitern, erwägt die SVP eine Volksinitiative.

Quelle: SRF, Kopftuchverbot: Abstimmung im St. Galler Rheintal, 17.1.2014.

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