04.12.2024
Ab dem 1. Januar 2025 tritt das neue Bundesgesetz über das Verbot der Gesichtsverhüllung schweizweit in Kraft. Diese Handreichung des Islamischen Zentralrats (IZR) erklärt die neue gesetzliche Situation und gibt Empfehlungen, wie sich Betroffene verhalten sollten.
Im März 2021 stimmte eine knappe Mehrheit der Schweizer Bevölkerung (51,2 %) für die Volksinitiative „Ja zum Verhüllungsverbot“. Das Anliegen wurde vom populistischen Flügel der Schweizerischen Volkspartei angestossen. Die Annahme der Initiative führte zur Verankerung eines neuen Verfassungsartikels (Art. 10a) und zur Ausarbeitung des Bundesgesetzes über das Verbot der Gesichtsverhüllung (BVVG), das ab Januar 2025 in Kraft tritt.
Das Verbot richtet sich an alle öffentlichen und privaten Orte, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Wer sein Gesicht an solchen Orten verhüllt, wird mit einer Busse von bis zu 1000 CHF bestraft. Das Gesetz gilt sowohl für Niedergelassene als auch für Touristen in der Schweiz. Es wurde jedoch berücksichtigt, dass es bestimmte Ausnahmen gibt, um einige der verfassungsmässig garantierten Rechte wie die Versammlungsfreiheit zu wahren.
Das Gesetz sieht verschiedene Ausnahmen vor, die für Musliminnen, die den Niqab tragen, relevant sein können:
Der Islamische Zentralrat empfiehlt Musliminnen, sich an die neuen gesetzlichen Bestimmungen zu halten, um mögliche Konflikte zu vermeiden. Zwar ist es rechtlich nahezu aussichtslos, gegen das Gesetz anzukämpfen, jedoch gibt es praktische Handlungsoptionen:
Verstösse gegen das Verhüllungsverbot werden zunächst mit einer Ordnungsbusse von 100 CHF belegt. Diese kann direkt vor Ort bezahlt werden. Wenn die betroffene Person jedoch die Zahlung verweigert, wird ein ordentliches Verfahren eingeleitet, bei dem eine gerichtliche Beurteilung stattfinden kann. In diesem Fall kann die Busse auf bis zu 1000 CHF erhöht werden.
Das Ordnungsbussenverfahren ist ein administrativer Prozess, der keine Eintragung im Strafregister zur Folge hat, ähnlich wie bei Parkbussen. Es ist nicht vorgesehen, dass sich bei wiederholten Verstössen die Strafe kumulativ erhöht. Das bedeutet, dass jede Busse unabhängig von früheren Verstössen behandelt wird.
Das Gesetz ist durch den neuen Verfassungsartikel 10a stark verankert, was bedeutet, dass eine Klage gegen das Gesetz an sich in der Schweiz kaum Aussicht auf Erfolg hat. Der Islamische Zentralrat könnte jedoch im Einzelfall gegen eine verhängte Busse vorgehen. Wenn eine Muslimin aufgrund des Tragens des Niqabs gebüsst wird, kann sie versuchen, das Verfahren in allen Instanzen zu bestreiten. Ein Weiterzug an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist theoretisch möglich, allerdings hat der EGMR in ähnlichen Fällen, wie in Frankreich, bereits entschieden, dass das Verhüllungsverbot nicht zwangsläufig die Religionsfreiheit einschränkt.
Das Verbot gilt nur an öffentlich zugänglichen Orten. Das Auto, als privater Raum, ist nicht direkt betroffen. Obwohl das Auto auf öffentlichen Strassen fährt, bleibt es ein geschlossener Raum, der nicht für die Allgemeinheit zugänglich ist. Eine endgültige Entscheidung über diese Frage müsste jedoch von den Gerichten getroffen werden.
Musliminnen, die von diesem Gesetz betroffen sind, können sich bei weiteren Fragen oder im Fall einer Strafverfolgung an den Islamischen Zentralrat wenden. Das Sekretariat des IZR bietet rechtliche Unterstützung und Beratung an. In solchen Fällen ist es hilfreich, eine Kopie der Busse einzureichen, damit eine rechtliche Einschätzung erfolgen kann.
Das Inkrafttreten des Niqab-Verbots in der Schweiz stellt eine neue Herausforderung für Musliminnen dar, die den Niqab tragen. Das Gesetz bringt eine Reihe von Ausnahmen mit sich, die es ermöglichen, das Gesicht aus verschiedenen Gründen zu verhüllen. Es ist jedoch wichtig, sich der gesetzlichen Bestimmungen bewusst zu sein und gegebenenfalls rechtliche Unterstützung zu suchen. Dank der Regelung im Ordnungsbussenverfahren ist im Übertretungsfall nicht gleich groben Konsequenzen zu rechnen. Eine Ordnungsbusse kostet aktuell 100.-
Der IZR empfiehlt, sich an die neuen Bestimmungen zu halten, um Konflikte zu vermeiden, und sich anstatt mit klassischem Niqab, mit einer Gesichtsmaske zu bekleiden. Bei Unsicherheiten oder Problemen sollen sich Betroffene rechtzeitig Unterstützung holen, um allfällige Fristen nicht verstreichen zu lassen.
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