Bern, 04.03.2012
(qi) Morgen Montag soll sich die kleine Kammer zum zweiten Mal mit der Frage eines Niqab-Verbots in der Schweiz auseinandersetzen. Dabei geht es um eine Motion des islamophoben SVP-Nationalrats Oskar Freysinger. Im vergangenen September winkte die grosse Kammer das Begehren mit 101 zu 77 Stimmen bei 9 Enthaltungen noch deutlich durch. Freysinger, ein glühender Geert Wilders Sympathisant, hat die Motion so formuliert, dass zunächst der Eindruck entstehen könnte, sie richte sich gegen vermummte Demonstranten und Hooligans. Der Vorstoss zielt jedoch deutlich auf Trägerinnen des islamischen Gesichtsschleiers (Niqab) ab, die bei Zustimmung aus allen öffentlichen Verkehrsmitteln verbannt werden könnten. Allerdings gibt es guten Grund zur Annahme, dass die Motion morgen Schiffbruch erleiden wird.
Staatspolitische Kommission des Ständerats erneut gegen ein Niqab-Verbot
Mitte Januar 2012 verwarf die staatspolitische Kommission des Ständerates die Motion mit 7 zu 3 Stimmen klar. Sie empfiehlt der kleinen Kammer die Ablehnung des Vorstosses. Vor fast genau einem Jahr sprach sich der Ständerat schon einmal gegen eine Standesinitiative aus dem Kanton Aargau aus, die ein “nationales Verhüllungsverbot” gefordert hatte. Nicht zuletzt deshalb dürfte Freysinger seiner Motion den Anschein eines differenzierten Begehrens verpasst haben, als er sich auf ein Verbot im öffentlichen Verkehr, im Umgang mit Ämtern und bei Kundgebungen beschränkte.
Personenidentifizierung auch ohne Verbot kein Problem
Freysinger bemüht im Zusammenhang mit seiner Motion ein sicherheitspolitisches Anliegen, wie er selbst betont. Darum soll der Passus auch ins Gesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) aufgenommen werden. Schliesslich müssten Personen vor einer Behörde, im öffentlichen Verkehr und bei Demonstrationen identifizierbar sein, so der SVP-Nationalrat.
Dass auch verschleierte Frauen bei Behördenkontakt ohne Anstalten ihr Gesicht zeigen müssen, bezweifelt keine islamische Organisation in der Schweiz. Es sind keinerlei praktische Probleme bekannt bei der Identifizierung von muslimischen Frauen. Die bestehende Gesetzgebung reicht aus, um in notwendigen Situationen, wie auf einer Amtsstelle oder an Grenzübergängen, die Preisgabe des Gesichts auch von verschleierten Frauen einzufordern.
Ausserdem dürfen praktische Probleme mit gewalttätigen Demonstranten oder Hooligans nicht auf Kosten der Religions- und Kultusfreiheit angegangen werden. Gerade gewaltbereite Demonstranten und Hooligans dürfte ein weiteres Vermummungsverbot – neben den in vielen Kantonen bereits bestehenden – kaum beeindrucken.