In Zürich unerwünscht: Islamischer Kindergarten
In Zürich unerwünscht: Islamischer Kindergarten

Die Bildungsdirektion des Kantons Zürich stellt auf stur und lässt den ersten Versuch eines islamischen Kindergartens aus Angst vor vermeintlich inkompatiblen Wertvorstellungen platzen – ein typischer Entscheid für die Schweiz von heute und ihren Umgang mit dem Islam: ängstlich, abwehrend und kurzsichtig. Dabei verpasst Zürich wohl eine Chance.

Von Abdel Azziz Qaasim Illi 


Der Ablehnungsentscheid kam für kaum jemanden überraschend. Der öffentliche Druck auf die Bildungsdirektion war seit Bekanntwerden des Projekts enorm. Grünes Licht für den Kindergarten hätte wohl eine Zeit lang für rote Köpfe in der Zürcher Verwaltung gesorgt.

Die nun eingesparte Kritik wäre dagegen verhältnismässig ein kleiner Preis für die grosse Chance gewesen, die ein islamischer Kindergarten mit sich gebracht hätte. Freilich, für die Verinnerlichung christlicher Werte gründet niemand einen islamischen Kindergarten. Aber darf daraus bereits eine grundlegende Inkompatibilität zu christlichen, humanistischen und demokratischen Wertvorstellungen abgeleitet werden?

Wer den Entscheid liest, wird Zeuge jener polarisierten Wertedebatten, die in ähnlicher Form um Minarette, Niqabs und Kopftücher geführt werden. Es geht dabei nicht um eine juristisch stichhaltige, auf empirisch nachvollziehbaren Fakten fussende Begründung der Ablehnung. Weder kann dem Vorstand des al-Huda Vereins ein Versäumnis, noch ein Formfehler vorgeworfen werden. Einzig die ideelle Nähe zum Islamischen Zentralrat einer administrativen Mitarbeiterin bewertet die Bildungsdirektion als „problematisch“. Dies weil der Zentralrat die Meinung vertritt, dass die Gründung islamischer Bildungsinstitutionen ein probates Mittel sei, um die muslimischen Kinder vor dem zunehmend einflussreichen Säkularismus abzuschirmen.

Das Konzept des Kindergartens fokussiert auf die Weitergabe islamischer Lebensformen im Alltag. Dabei bilde das religiöse Wissen die Basis, auf der das Kind seine weitere natürlich auch profane Bildung aufbaue – eine klassisch religiöse Bildungsmethode wie sie wohl auch in jüdischen oder christlichen Institutionen zu erwarten sein dürfte. Gerade darin sieht die Bildungsdirektion nun bei einer islamischen Institution den grossen Haken und hält apodiktisch fest: „Eine derart ausgeprägte Ausrichtung und Fixierung auf einen bestimmten Glauben und somit auch auf ein ganz bestimmtes Welt – und Menschenbild führt dazu, dass den Kindern einseitig und vereinnahmend Werte vermittelt werden, die mit den Leitsätzen der Volksschule – wie Toleranz, Offenheit und Dialogfähigkeit – nicht vereinbar sind.“

In diesem Tonfall geht es weiter. Offenbar hat sich die durch stereotype öffentliche Diskurse ausgebreitete Meinung, wonach der Islam eine besonders intolerante und dialogunfähige Glaubensform sei, mittlerweile auch Zugang zur Verwaltung verschafft. Das alte Muster des pauschalen Vorurteils setzt sich fort. In Punkt acht heisst es: „Im Konzept der Privatschule „Al Huda“ ist nicht erkennbar, wie der Trägerverein die Wahrung der Glaubens- und Gewissensfreiheit zu erreichen gedenkt.“ Muslime stehen offenbar ganz besonders im Verdacht, die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht zu respektieren und sind angehalten, zuerst einmal den entsprechenden negativen Beweis zu erbringen. Der Entscheid gründet also auf einer Kumulation möglicher in der Zukunft auftretender Verstösse gegen das Volksschulgesetz und die Bewilligungsauflagen.

Warum einfach, wenn es kompliziert geht, scheint das Leitmotiv in dieser Frage gewesen zu sein. Eine Verurteilung noch vor der Anklage ist das Resultat. Dabei gilt doch nicht nur im gerichtlichen Umgang das Motto: Im Zweifel für den Angeklagten. Gerade der Staat hat seinen Bürgern gegenüber einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Schliesslich käme auch kein Beamter auf die glorreiche Idee, einer katholischen Lehrperson den negativen Beweis abzunötigen, dass sie keine Vergehen gegen die sexuelle Integrität der Schüler begehen werde.

Geht es um den Islam, so sind die Meinungen offensichtlich gemacht und dies obwohl es noch keinen einzigen negativen Präzedenzfall in der Schweiz gibt. Bei der Zürcher Bildungsdirektion wehrt man lieber den Anfängen, anstatt sich auf Experimente einzulassen.

Was übrig bleibt, ist vorderhand ein weiterer Scherbenhaufen. Muslime werden mit Recht geneigt sein, diesen Entscheid als neustes Indiz einer zunehmend auch strukturellen Diskriminierung zu werten. Was bei Christen und Juden schon lange selbstverständlich ist, wird ihnen paradoxerweise wie schon beim Minarett-Verbot mit Verweis auf gerade jene Werte verwehrt, die eigentlich gegen eine Einschränkung gesprochen hätten: Humanismus, Demokratie und Glaubensfreiheit.

Hätte man dagegen den Initiantinnen unter klaren Auflagen und engmaschiger Kontrolle die Chance gegeben, den Kindergarten zu eröffnen, wäre daraus wohl bald ein positives Gefühl der Verantwortung erwachsen. Mögliche Mängel hätten die engagierten und sicherlich dialogbereiten Frauen im gegenseitigen Einvernehmen mit den zuständigen Behörden schrittweise beheben können. Es bleibt zu hoffen, dass der al-Huda-Verein den Entscheid anficht und noch einmal klar und deutlich auf seinen Willen verweist, ein positives islamisches Beispiel für Dialogfähigkeit und Offenheit zu liefern.

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Veröffentlicht am: 27. Mai 2014
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