Der Ramadan naht. Doch wann ist der exakte Zeitpunkt für den Fastenbeginn? Verschiedene grösstenteils fehlerhafte Berechnungsmethoden sorgen für Verwirrung. Der Islamische Zentralrat publiziert in Zusammenarbeit mit der MSA erstmals empirisch abgestützte und überprüfte Zeiten für die Schweiz.
Von Nicolas Blancho |
Nach der tiefgründigen Aufarbeitung der Frage rund um den Eintritt der Zeit des al-Fajr-Gebets, kam der Islamische Zentralrat in Zusammenarbeit mit MSA und in Abgleichung mit dem „European Council for Fatwa and Research“ in seiner Recherche zum Schluss,
Detaillierte Analyse Diese Ausführungen basieren Die theoretischen Grundlagen Aktuelle Gebetszeiten
–St. Gallen |
dass die Berechnungen mit den meist gegebenen Winkeln in den vorhandenen Berechnungsmethoden nicht korrekt sind. Nach mehrfacher Überprüfung und nachhaltiger Beobachtung legte der Islamische Zentralrat für die Schweiz zu dieser Jahreszeit den Berechnungswinkel von -13° fest.[1] Damit wird auch die Verkürzung der Dämmerungszeit aufgrund der Entfernung von der Sommersonnenwende berücksichtigt. Bei den höchsten Werten am 21. Juni beträgt die Differenz zwischen der relevanten Morgendämmerung und Sonnenaufgang bei einer Berechnung mit -13 ° etwa 105 Min. und gegen Ende Ramadan 2014 am 27.07.2014 liegt sie nur noch bei 90 Min. Je mehr man sich von der Sommersonnenwende entfernt, desto kürzer wird die Dämmerungszeit. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer festen Zeit (wie auf einigen Gebetskalendern zu sehen: 90 Min. oder 100 Min.) zwischen dem Sonnenaufgang und der Dämmerungszeit nicht sinnvoll, weil dadurch die fortlaufende Verkürzung nicht berücksichtigt wird.Anhand der hier vorliegenden Beobachtungsresultate sollen die Inhalte und Ergebnisse der Recherche über die korrekte Zeit für al-Fajr im Ramadan 1435/2014 bildlich dargestellt werden. Die Beobachtungen wurden auf Grundlage der normativen Texte und unter Berücksichtigung astronomischer Berechnungen gemacht und verglichen. Aus den Vergleichen konnte dann die Schlussfolgerung abgeleitet werden, welche der Islamischen Zentralrat Schweiz (IZRS) als Berechnungsgrundlage festgelegt hat.
Letzte Beobachtung vor Ramadan 2014
In der Nacht vom 24. auf den 25. Juni verzogen sich in der Region Bern die Wolken, welche die letzten drei Tage eine Sicht verhinderten. Um 21.40 Uhr des 24. Juni konnte davon ausgegangen werden, dass die Witterung gut ist und eine klare Sicht möglich ist. Gegen 02.20 des 25. Junis bestieg ein Beobachtungsteam des Schweizer Ramadan-Watch Komitees den Panoramaplatz Richtung Osten beim Gurten auf 864 m.ü.M. Die Sicht war ausgesprochen gut, ein klarer, wolkenloser Himmel. Über der Stadt Bern hingen Nebelschwaden, was die Sicht auf Grund der Höhe nicht beeinflusste, eigentlich ideale Bedingungen.
Die Resultate können mit den folgenden Bildern erklärt werden:
Zeit: 02.31, die ersten Gebetskalender und Apps für Gebete zeigen jetzt schon den Eintritt von al-Fajr an.
Position der Sonne: ca. -18.5°
Belichtung: 2500 ISO/ 10 sec
Beschreibung: Der Himmel ist noch so dunkel, dass Gestirne sehr gut sichtbar sind. Die Erhellung im Himmel ist stark durch die Lichtverschmutzung bedingt, welche sich infolge der Stadtbeleuchtung ergibt. Ansonsten ist am Horizont nichts zu sehen. Diese Beschreibung trifft auf den Beginn der astronomischen Dämmerung zu.
Auf dem Bild (Zeit: 02.40, ISO 2500 10 sec, bei Sonnenposition -18°) hier rechts ist eine Nahaufnahme des Horizonts sehen. Es ist dunkel, keine Aufhellung ersichtlich.
Mit der Beschreibungen vom Eintritt al-Fajrs nicht übereinstimmend.
Zeit: 03.12, die nächsten Gebets-Apps haben schon al-Fajr angegeben.
Position der Sonne: ca. -16.2°
Belichtung: ISO 1000/ 6 sec
Beschreibung: Ein grosser Unterschied kann bis jetzt nicht ausgemacht werden. Das Auge nimmt praktisch keine Veränderungen war. Unter dem Nebelmeer leuchtet das Licht der Stadt auf. Am Horizont ist es weiterhin dunkel. Sterne noch immer gut sichtbar. Dieses Bild passt für die astronomische Dämmerung, stimmt aber immer noch überhaupt nicht mit der Beschreibung in den normativ Texten überein.
Hier ein Bild eines Zoom-In um 03.14 mit derselben Belichtung. Ganz schwach sind die Konturen der Hügel zu erkennen.
Zeit: 03.32
Position der Sonne: ca. -14.8°
Belichtung: ISO 1000/ 6 sec
Beschreibung: Eine leichte Erhellung ist nun festzustellen, dennoch nicht genügend, um die Kriterien der Beschreibung in den normativen Quellen zu erfüllen. Die Erhellung muss an einem Punkt des Horizonts explodieren und sich dann über den Horizont verbreiten, wie es in der Beschreibung durch den Gesandten (sas) klar wird. [2]
Auf dem Bild um 03.45 (Belichtung ist dieselbe, Stand der Sonne: ca -13.7 ) ist nun der Beginn (im Kreis) des aufkommenden Lichtes sichtbar, welches sich über den Horizont verbreiten wird und später den „weissen“ Faden darstellt. Es ist kurz vor al-Fajr.
Zeit: 03.53
Position der Sonne: ca. -13°
Belichtung: ISO 1000/ 6 sec
Beschreibung: Das Licht ist nun am Horizont explodiert. Eine rötliche Linie über dem Horizont ist deutlich erkennbar, darüber der berühmte „weisse Faden“. Dieses Bild stimmt nun ziemlich genau mit der Beschreibung aus den normativen Quellen überein. Al-Fajr ist hier nun eingetreten.
Das Bild (03.59) zeigt nun deutlich die Verbreitung des Lichts am Horizont. Hier ist al-Fajr nun mit abschliessender Gewissheit eingetreten.
Schlussfolgerung
Aus den Beobachtungen, welche hier mit reichlich Bildmaterial dargestellt wurden, kann folgendes noch einmal in Kürze festgehalten werden.
1. Eine Berechnung mit einer Position der Sonne bei -18° unter dem Horizont gibt zwar Aufschluss über die astronomische Dämmerung, ist aber total irrelevant in Bezug auf den Eintritt der Zeit von al-Fajr. Daher sind alle Kalender ungültig, die auf der Grundlage von 18° berechnet wurden.
2. Die nautische Dämmerung kommt in ihrer Beschreibung dem Eintritt des al-Fajr Gebetes sehr nahe. Eine geringe Anpassung aufgrund der Beobachtungen ist jedoch notwendig.
3. Die Festlegung der Position der Sonne auf -13° für die Erleichterung der Berechnung für den Eintritt von al-Fajr in der Schweiz zu dieser Jahreszeit ist aufgrund der begleiteten Beobachtungen legitim und stimmt mit der Sichtung überein.
4. Einer Diskrepanz von ungefähr 5 min sollte mit Kulanz begegnet werden, eine solche Differenz ist auf Grund der Lokalität durchaus möglich. Wir empfehlen dafür die Orientierung an den vom IZRS publizierten Gebetskalendern, welche auf die verschiedenen Schweizer Städte angepasst sind.
Um detaillierte Informationen über die Grundlagen dieser Thematik nachzulesen, kann der Aufsatz über die Berechnung von al-Fajr hinzugezogen werden.
Möge Allah den Muslimen diesen Monat erleichtern, ihr Fasten annehmen, ihre Gebete erhören.
[1] Die Zahl ist negativ, da die Sonne unter dem Horizont steht.
[2] Ibn Jarir, Samura ibn Jundub, der Gesandte (sas) sagte: „…bis die Morgendämmerung explodiert.“ Im Tafsir von Ibn Kathir zur Erläuterung von 2:187 und Ähnliches wird von Imam Muslim überliefert.