Blancho_Ceric_11082011Am Rande eines Events im Rahmen von Feierlichkeiten zum Fastenmonat Ramadan ist Nicolas Blancho, Präsident des Islamischen Zentralrates Schweiz (IZRS) gestern Abend mit dem Reisu-l-ulema (Grossmufti) von Bosnien-Herzegowina, Mustafa Cerić, zusammengekommen, um über eine europäisch-islamische Identität zu sprechen. Auch eine stärkere Zusammenarbeit von bosnischen Muslimen und dem IZRS in der Schweiz wurde diskutiert.

Bern, 12.08.2011

hap.- Mustafa Cerić, Grossmufti von Bosnien-Herzegowina, gehört zu jenen bekannten Muslimen in Europa, die den Kampf der Kulturen entschärfen wollen, ohne sich dabei auf Wohlfühl-Rhetorik zu verlassen: «Wir Muslime befinden uns in einer der schlimmsten Krisen unserer Geschichte. Zusammen mit der Krise des Westens ergibt das eine sehr gefährliche Lage», sagte er einmal der deutschen Zeiten Zeitung «Zeit» und sieht sich nach den jüngsten Ereignissen in Oslo aber auch in London in seiner Aussage bestätigt. «Wir sind genuine Europäer», sagt er. «Wer Unheil über Europa bringt, bringt Unheil über uns». Und Mustafa Cerić reklamiert seinen Platz als Muslim in Europa mit einem aussergewöhnlichen Selbstbewusstsein. Und dies hat wohl mit der zu oft vergessene Geschichte der Muslime in Bosnien zu tun. Die Kaisermoschee im Zentrum von Sarajevo, in der Cerić seinen Sitz hat, steht dort schon seit bald 450 Jahren. Und die weltweit einmalige Institution des Reis-ul-Ulema in Europa ist ein Erbe der beiden grossen Reiche, die auf dem Balkan Geschichte gemacht haben. Der Islam kam mit den Osmanen, die 1463 die Stadt einnahmen. Das Amt des Reis haben die Habsburger geschaffen, die einen Verhandlungspartner brauchten, nachdem ihnen Bosnien und Herzegowina 1878 vom Berliner Kongress zugesprochen wurde. Cerić lehnt die Begriffe «Euroislam» und «Europäischer Islam» klar ab und spricht lieber von einem «europäischen Erfahrungshorizont des Islam».

Mustafa Cerić an der nächsten IZRS-Jahreskonferenz?

Bei einem privaten Treffen am Rande von Feierlichkeiten im Rahmen des Fastenmonats Ramadan sprachen IZRS-Präsident Nicolas Blancho und IZRS-Vorstandsmitglied Oscar A.M. Bergamin mit Cerić über die Situation in der Schweiz. Cerić lobte die Arbeit und die Aktivitäten und zeigte sich interessiert über das Programm des IZRS, Muslime in der Schweiz eine europäisch-islamische Identität zu geben. Laut Bergamin, habe Cerić mit Interesse von der letzten Jahreskonferenz des IZRS in Biel Kenntnis genommen und mit Begeisterung die Bilder angeschaut. Zudem habe sich das Oberhaupt der bosnischen Muslime nach dem Datum der nächsten IZRS-Jahreskonferenz erkundigt. Sollte er Zeit in seinem Terminkalender finden, könne sich der Grossmufti durchaus vorstellen, am kommenden Jahrestreffen teil zu nehmen. Dies wäre dann eine der letzten Amtshandlungen des Reis, denn laut Verfassung der Islamischen Glaubensgemeinschaft von Bosnien-Herzegowina kann der Reisu-l-ulama nach einer sieben-jähriger Amtszeit nur einmal wiedergewählt werden (das letzte Mal 2005), so dass Cerić voraussichtlich 2012 aus dem Amt scheiden wird.

«Bosnier in der Schweiz am besten organisiert»

IZRS-Präsident Blancho lobte in dem Gespräch die ausgezeichnete Strukturen des Islamska zajednica Bošnjaka u Švicarskoj in der Schweiz. «Es ist Tatsache, dass die bosnischen Muslime in der Schweiz keine Dachorganisation benötigen, weil sie von allen Bosniern in Westeuropa am besten organisiert sind», betonte Cerić. Er sehe im IZRS als Basisorganisation aber ein ausgezeichneter Brückenbauer zwischen europäischen Muslimen und eine Hilfe bei der Integration von zugewanderten Muslimen von ausserhalb der europäischen Gesellschaften. Oscar Bergamin, selber Mitglied des Bosnischen Dzemats in Graubünden betonte, dass es nicht im Sinne des Islamischen Zentralrates sei, Bosnier aus den Dzemats «wegzuholen», sondern alle Muslime generell besser zu vernetzen und dies nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa. Ein Nebeneinander der beiden Organisationen berge keineswegs Widersprüche, hielt die Runde fest. Zudem könne jeder Muslim oder jede Muslima beim IZRS als Basis-Organisation einfach an die Türe klopfen, wenn sie Hilfe bräuchten. Cerić dankte dem IZRS-Vorstand für die Hartnäckigkeit mit dem er im über die Schweizer Grenzen bekannt gewordenen «Fall Catić» die Kopftuchfrage an Schulen behandelt hatte. «Viele Muslime bosnischer Herkunft sind sowohl Mitglied einer der Dzemats des Islamska zajednica Bošnjaka u Švicarskoj als auch des IZRS», betonte Bergamin.Mustafa Ceric und Nicolas Blancho verabschiedeten sich mit der Absicht, weiterhin nach Kräften für «eine unabhängige, europäisch-islamische Identität» einzutreten.

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Veröffentlicht am: 12. August 2011
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