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Der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) nimmt Kenntnis vom Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts in der al-Muhaysini causa gegen seine Vorstandsmitglieder. Nun prüft der Rat einen Gang nach Strassburg an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Kommuniqué, 13032020 – 0170 // Sperrfrist 13.03.2020 / 12.00 Uhr

Mit Urteil vom 26. Februar entschied eine SVP-lastig besetzte Strafkammer des schweizerischen Bundesgerichts, die Beschwerde Naim Chernis gegen seine Verurteilung durch das Bundesstrafgericht in Bellinzona in Sachen Propaganda für Al-Qaida abzuweisen. Gleichzeitig hob sie die ebenfalls im Zusammenhang mit der al-Muhaysini casua ergangenen Freisprüche Qaasim Illis und Nicolas Blanchos auf und wies sie an die erste Instanz in Bellinzona zurück.

Bundesgericht verweigert neue Rechtsmittel

Die Abweisung der Beschwerde Chernis kommt nicht überraschend, denn das Bundesgericht bietet keine inhaltlich-materielle Revision mit voller Kognition des am Bundesstrafgericht ergangenen erstinstanzlichen Urteils, sondern prüft in der Regel lediglich formelle Rügen. Dieser Missstand wurde mittlerweile durch die Einführung einer neuen Berufungskammer als zweite Instanz behoben. Das Bundesgericht verweigert Naim Cherni mit vorliegendem Urteil die eigentlich seit Anfang Januar bestehenden Rechtsmittel mit dem Verweis auf eigenmächtig erlassene Übergangsregelungen. Dieser Umstand ist aus rechtsstaatlicher Sicht hochproblematisch und gilt es nun einer genaueren Prüfung zu unterziehen.

Darüber hinaus halten sowohl der IZRS wie auch Naim Cherni an der Darstellung fest, dass das journalistische Interview mit Abdullah al-Muhaysini 2015 im Rahmen einer Aufklärungskampagne gegen die aktive Terrormiliz «Islamischer Staat» aufgenommen wurde und keinerlei Propaganda für Al-Qaida oder ihren damaligen Franchising Partner an-Nusra Front betrieb. Die aus überwiegender wissenschaftlichen Sicht unzulässige Zuordnung des unabhängigen Mujâhids Abdullah al-Muhaysini zu Al-Qaida war Grundlage und Ausgangspunkt des bundesanwaltschaftlichen Schauprozesses gegen die IZRS-Vorstandsmitglieder. Obwohl es der Bundesanwaltschaft im Laufe des Prozesses nicht gelang, die strukturelle Zugehörigkeit al-Muhaysinis zur Al-Qaida nachzuweisen, folgte ihr das Bundesstrafgericht in der merkwürdigen Ansicht, dass es nicht erst einer formellen Zugehörigkeit zur Al-Qaida oder einer verwandten Organisation bedürfe, sondern bereits eine vermeintliche Ähnlichkeit in Rhetorik und Handlung ausreiche, um den Strafbestand gemäss Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen zu verletzten.

Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft wäre es Aufgabe Chernis gewesen, vor seinem Interview den erklärt unabhängigen al-Muhaysini auf eine mögliche geistige Nähe zu Al-Qaida hin zu überprüfen, obwohl bis dahin kein Gesetz und kein Urteil mit Präzedenzcharakter solch eine Verpflichtung vermuten liess. Das Urteil ist ein schwerer Rückschlag für die Presse- und die Meinungsäusserungsfreiheit in der Schweiz.

Weiterzug an den EGMR

Der IZRS und Naim Cherni sind überzeugter denn je, dass es der Bundesanwaltschaft mit ihrem Verfahren von Anfang an auch um die Diskreditierung ihrer islamischen Organisation ging. Sie halten an der Richtigkeit des Interviews fest und prüfen nun den Gang an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

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