Nachdem das Bundesgericht im vergangenen Dezember einem generellen Kopftuchverbot an Schweizer Schulen eine Abfuhr erteilt hat, soll nun im Kanton Wallis ein solches an Schulen per Volksinitiative eingeführt werden. Die SVP hat die dafür nötigen Unterschriften bei der Staatskanzlei in Sion eingereicht.
(ni) Und einmal mehr initiiert die SVP – diesmal im Wallis – eine Initiative, welche eines der schwerwiegendsten Probleme unserer Zeit lösen soll. Aber nein, hier geht es nicht darum, eine Apartheid-Justiz an der Urne wie für den 28. Februar 2016 geplant, herbei zu führen, sondern mal wieder um das Kopftuch. Jenes Stück Stoff, das es immer wieder schafft, die Gemüter zu erhitzen und auf das sich – dem roten Tuch eines Toreros gleich – die Damen und Herren der SVP stürzen.
Obwohl oder gerade weil vor kurzem das Bundesgericht in einem Grundsatzurteil ein Kopftuchverbot an Schulen als unzulässig taxierte, hält die Partei an der Initiative fest. Mit der kantonalen Initiative gegen Kopfbedeckungen an Schulen, werden zwar alle Formen der Kopfbedeckung untersagt. Doch richtet sie sich konkret gegen das islamische Kopftuch, wie die SVP Wallis bestätigt. Man wolle die Mädchen befreien und zur Selbstbestimmung erziehen. Das Kopftuch markiere die Unterwerfung der Frau.
Diese abgedroschenen, bereits seit langem widerlegten Kampfansagen werden immer wieder aufs Neue rezykliert – rationale Argumentation: zwecklos. Das einzig bemerkenswerte an der Initiative ist wohl, dass sie von mehr Menschen unterschrieben worden ist, als tatsächlich Mädchen mit Kopftuch im Wallis zur Schule gehen. So wäre es interessant gewesen, die Unterstützer doch dahingehend zu befragen, ob sie schon einmal mit so einer kopftuchtragenden Schülerin persönlich Kontakt hatten und ob diese ihre Befürchtungen bestätigte oder ob die jeweilige Befürwortung nicht eher eine Trotzreaktion mit dem Muster folgt: «Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht».
Ebenso ist die Werbung für die Kampagne irreführend. Darauf ist nämlich kein unterdrücktes «Kopftuchmädchen», sondern eine finster dreinblickende Frau mit Niqab abgebildet. Doch da es im Wallis keine relevanteren politischen Themen als die drohende «Islamisierung» zu geben scheint, wirft die SVP wie gewohnt alles in einen Topf und bedient sich der selben Symbolik wie schon damals, als es darum ging der «Islamisierung» durch das Bauverbot von Minaretten Einhalt zu gebieten.
Fakt ist, dass es von Rechts wegen nicht Aufgabe des Staats ist, über individuell gewählte religiöse Inhalte und Praktiken zu befinden, soweit jene Dritten ihren Freiheitskuchen nicht beschneiden. Zudem kann es nicht die Aufgabe des Gesetzgebers sein, über die Bekleidung von Frauen zu entscheiden. Dies erinnert etwa an das Hosenverbot im 19. Jahrhundert. Sollte diese Form von aufgezwungen Kleidungsvorschriften nicht gerade mit Hilfe der gesetzlich verordneten Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen überwunden sein? Wozu einen Artikel in der Bundesverfassung, welcher die Religionsfreiheit garantiert?
Soll nun nur keiner mit der Kampffloskel kommen: «Wir müssen uns auch anpassen, wenn wir in deren Länder sind»… denn erstens tun dies die wenigsten Auslandschweizers wirklich und zweitens betreffen solche islamophoben Regelwerke ja nicht Ausländer, sondern Muslime und die sind heute wie man weiss nicht selten auch Schweizer Bürger.