Bern, 31.07.2010
Der katholische Dorfpfarrer von Kleinlützel will «Kreuzritter» werden. «Pfarrer Franz Sabo hetzt gegen Muslime», titelte die Zeitung «Sonntag» am 25. Juli. In seinem Buch «Der Tod stirbt nicht», das jetzt erscheint, hetzt Pfarrer Franz Sabo nicht nur gegen Muslime, er fordert die Schweiz indirekt auf, Muslime auszugrenzen, weil es für ihn zu einer «konsequenten und ehrlichen ökologischen Politik» gehöre, die Migration – sprich die der Muslime – einzudämmen. Sabo pfeift damit auf das Zweite Vatikanische Konzil und trampelt auf den Gräbern dreier Päpste herum, die sich ernsthaft um die Aussöhnung mit dem Islam bemüht haben. Damit dürften seine Tage als katholischer Pfarrer wohl endgültig gezählt sein.
Von Oscar A.M. Bergamin
«Wer hat den stärkeren Gott? – Islam und Christentum: Der ewige Twist». Mit dieser Titelstory beendete das deutsche Nachrichtenmagazin «Spiegel» das Jahr 2009. «Koran und Bibel, die Betriebssysteme zweier Weltreligionen wetteifern um die Vorherrschaft» heisst es in dem Blatt, das als traditionell islamfeindlich gilt, wenn man die «Spiegel»-Titelstorys zum Thema Religion in den vergangenen Jahren verfolgt hat: «Der heilige Hass», «Mekka in Deutschland – die stille Islamisierung» oder «Allah im Abendland – neue Moscheen, Propagandazentren der Parallelgesellschaft?»: Der «Spiegel» hat sich irgendwie zur Propaganda-Maschine des «zu verteidigenden christlichen Abendlandes» gemacht. Jetzt ist offenbar auch ein Exemplar dieser Ausgabe des «Spiegels» im Briefkasten des Dorfpfarrers von Kleinlützel gelandet. Der stets um Konflikte mit seinen Oberherren bemühte Prediger hat neuerdings die Muslime ins Visier genommen. Allerdings kam sogar der «Spiegel» schon zur Erkenntnis, dass die Beziehungen zwischen Islam und Christentum eben nicht auf den berüchtigten «clash of civilizations» hinauslaufen würden. Der «Spiegel» schreibt, dass es sogar sein könnte, «dass das einst christliche, heute aber eher heidnische Europa» so viel Gottesgefälligkeit gar nicht verträgt.
Ein feiger Rückenschuss
Wenn Muslime bis anhin den Streit des Dorfpfarrers Franz Sabo aus Kleinlützel mit dem Bistum Basel als innerkatholische Angelegenheit betrachtet haben, so ist das jetzt vorbei. Denn seine neue Attacke an die Adresse des Vatikans geht diesmal auf Kosten der muslimischen Gemeinschaft. Dass der Basler Bischof Kurt Koch Nachfolger des deutschen Kardinals Walter Kasper im Vatikan geworden ist, war eigentlich schon längerer Zeit gerüchteweise bekannt. Seit kurzem ist klar, Bischof Koch wird als Kurienkardinal dem päpstlichen Einheitsrat vorsitzen. Vorher hat sich der gutmütige Bischof offiziell in der Baselbieter Kirchgemeinde Röschenz mit dem «aufmüpfigen Priester Franz Sabo» (Zitat Basler Zeitung) versöhnt. Diese angebliche Versöhnung ist nun zur Farce geworden. Mit seinem Buch «Der Tod stirbt nicht» hat Sabo Kochs Freude an der Beförderung auf den Ökumene-Chefposten in Rom nicht nur ordentlich verdorben – und Sabo hat dem Bischof nicht einfach nur in die Suppe gespuckt – sondern dem den Muslimen immer gutgesinnten und um den «echten Dialog» bemühten früheren Vorsitzenden der Schweizer Bischofskonferenz auf dem Weg nach Rom mehrfach direkt in den Rücken geschossen. Feige Rückenschüsse, und nicht nur das: Pfarrer Sabo pfeift damit auf das Zweite Vatikanische Konzil und trampelt auf den Gräbern dreier Päpste herum.
Indirekt die Einführung der Inquisition gefordert
«Die muslimische Bevölkerung in der Schweiz ist deutlich jünger als die übrige Gesellschaft, und die Geburtenrate ist bei muslimischen Frauen doppelt so hoch», schreibt Sabo. Und: «Wenn wir nicht in allernächster Zeit der moslemischen Flutwelle Einhalt gebieten, werden wir überschwemmt.» Damit fordert der aus dem deutschen Bistum Bamberg stammenden Priester die Eidgenossenschaft indirekt zu einer neuen Inquisition auf. Nun gehört Sabo nicht gerade zum braunen Bodensatz der katholischen Traditionalisten, aber starker Tobak ist das schon und als «Predigt-Notiz» ist das schon gar nicht zu bewerten. Der Mann hat auch von der Kanzel gepredigt, dass er in der einfachen Tatsache, dass Menschen Kinder bekommen, einen Akt der Bedrohung und der Islamisierung sieht. Nach Massstäben der Nationalräte Lukas Reimann und Ulrich Schlüer ginge dies schon unter dem Kapitel «Hassprediger» («Extremisten unter den Geistlichen werden ausgewiesen»). Spräche Sabo von einer «jüdischen Flutwelle», wäre die rote Linie der Antirassismus-Strafrechtsnorm Art. 261bis StGB vermutlich längst überschritten und der Strafbestand gegeben, sein Buch einfach nicht erscheinen zu lassen, falls überhaupt noch ein Verlag dazu bereit wäre. «Das Boot ist voll», ist zwar ein alter Hut, dieser darf aber auf keinen Fall vergessen werden. Geht es in der Eidgenossenschaft um Muslime, dann geht man damit offensichtlich ein bisschen lockerer um. Dennoch: Dass dieser kleiner Kreuzritter aus Kleinlützel das Zweite Vatikanische Konzil in Frage stellt und indirekt die Bemühungen drei verstorbener Päpste (Johannes XXIII., Paulus VI. und Johannes Paulus II.) um die Aussöhnung mit dem Islam, kann nicht alleine Sache des Vatikans sein, wenn dies auf dem Buckel der Muslime in der Schweiz und der 1,5 Milliarden Muslimen im Allgemeinen geschieht. Wenn der Vatikan und das Bistum Basel zu schwach und nicht in der Lage sind, einem solchen Hetzer die Missio canonica zu entziehen oder ihn gar zu suspendieren (die Suspension ist ein Schritt, der weiter reicht als der blosse Entzug der Missio canonica), dann sind auch die kantonalen Behörden gefordert, die in der Eidgenossenschaft für die Einhaltung des religiösen Friedens zuständig sind.
Partner in der Anbetung des «alleinigen Gottes» brüskiert
Nostra Aetate – «In unserer Zeit» – heisst die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils zu den nichtchristlichen Religionen. Sie wurde am 28. Oktober 1965 beschlossen und von Papst Paul VI. öffentlich verkündet. Am 27. Oktober 1986 kam es in Assisi (Italien) zu einem von Papst Johannes Paul II. initiierten interreligiösen Friedenstreffen mit hochrangigen Vertretern der grossen Weltreligionen, bei dem der Papst alle Religionen einlud, jeder in seiner Tradition, für den Frieden zu beten. Unter dem Eindruck der Anschläge des 11. Septembers und des darauf folgenden Krieges in Afghanistan organisierte der Papst am 24. Januar 2002 ein zweites Gebet der Weltreligionen. Zuvor, schon im Jahr 2000 sprach der Papst ein «Mea culpa» für die Kirche wegen ihrer Verfehlungen wie Glaubenskriege, Judenverfolgungen und Inquisition aus. Und auch das Treffen des Papstes mit dem iranischen Präsidenten Mohammed Chatami im Vatikan im März 1999 wurde als historisches Ereignis bewertet. Im März des darauf folgenden Jahres (2000) wurde der Papst vom Obermufti von Jerusalem in der Moschee Haram asch-Sherif empfangen. Und der Besuch des Papstes in der Umayyaden- Moschee in der syrischen Hauptstadt Damaskus (2001), wo sich auch der Schrein Johannes‘ des Täufers befindet, gilt als legendär. Auch nach seiner berüchtigten Regensburger Rede im Jahr 2006 war Papst Benedikt XVI. sichtbar um Schadensbegrenzung bemüht und empfing zum Beispiel König Abdullah von Saudi Arabien oder den Obermufti von Bosnien-Herzegowina, Mustafa Ceric, im Vatikan. Nach der Regensburger Rede des Papstes haben 138 Islamgelehrten in ihrem Schreiben an Benedikt XVI., «A Common Word» (Das gemeinsame Wort), festgehalten, dass Muslime und Christen gemeinsam mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen. «Ohne Frieden und Gerechtigkeit zwischen diesen beiden religiösen Gemeinschaften kann es keinen Frieden von Bedeutung auf der Welt geben. Die Zukunft dieser Welt hängt vom Frieden zwischen Muslimen und Christen ab». Die vom Zweiten Vatikanischen Konzil eingeleitete Wende bestand schon darin, dass die Kirche offiziell begann, die Muslime primär und «mit Hochachtung» als Partner in der Anbetung des «alleinigen Gottes» zu betrachten, «des lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, des Schöpfers Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat». (Nostra Aetate). Auch wurde festgehalten, dass «der Heilswille (Gottes) diejenigen umfasst, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslimen, die sich zum Glauben Abrahams bekennen». Nostra Aetate vermeidet zwar tunlichst die Erwähnung des Korans und dessen Verkünder Muhammed (swt), was doch ziemlich eigenartig ist aber nach fast 1000-jähriger Verleumdung des Propheten wohl auch ein schwerer Schritt, den man noch nicht gehen wollte 1965. Dennoch werden Katholiken und Muslime in Nostra Aetate zu gezielter Vergangenheitsbewältigung und zur Zusammenarbeit aufgefordert mit dem Hauptziel, wo immer möglich gemeinsam den Herausforderungen des modernen Denkens, der modernen Zivilisation zu begegnen, nicht nur um den Glauben an Gott zu retten, besonders unter den jungen Menschen, sondern auch, damit ein aufrichtiger Glaube dazu beitrage, unsere Zivilisation von Gefahren, die dem Gottesglauben vom Neuheidentum her drohen zu schützen und um gemeinsam eine bessere Welt zu bauen. Sowohl Christen als auch Muslime glauben, dass der eine Gott der Schöpfer des Himmels und der Erde und jedes einzelnen Menschen ist. Er ist deshalb von ihnen anzubeten und zu loben. Er allein hat die Antwort auf die letzten Fragen des Menschseins in der Welt und wird am Ende der Zeiten alle Menschen im Gericht zur Verantwortung ziehen.
«Dein Wille geschehe» – C’est la vie!
Muslime können die Worte des von Jesus, Sohn der Maria gesprochenen Gebets «Dein Wille geschehe» voll und ganz teilen. Er muss sich also damit abfinden, dass Muslime Kinder bekommen. C’est la vie! Wir dürfen gespannt sein, ob die von Sabo so oft kritisierte katholische Kirche jetzt den Mut hat, ihr letztes Rechtsmittel – die Exkommunikation – gegen Sabo auszusprechen, um diesen an einem Glaubenskrieg zu hindern. Eine Kreuzfahrt (auf einem Schiff) würde dem Herrn Pfarrer vielleicht besser bekommen als ein Kreuzzug im Alleingang.