Kommuniqué 04052010-0018
Bern, 20. Jumada al Awwal / 04.05.2010
Der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) hat mit Bestürzung vom Resultat der heutigen Abstimmung über eine Standesinitiative gegen den Gesichtsschleier im Grossen Rat Aargau Kenntnis genommen. Wir möchten betonen, dass ein weiteres Sondergesetz gegen unsere Religionsgemeinschaft das Verhältnis zwischen muslimischen und nicht-muslimischen Bürgern in keinster Weise positiv beeinflussen würde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich Muslime noch stärker diskriminiert und ausgegrenzt fühlen und auf der anderen Seite die Polarisierung weiter zunehmen dürfte.
Der Zentralrat erachtet die Argumentation, wonach der Gesichtsschleier ein „Symbol der Frauenunterdrückung sei“ als absurd und sieht darin einen weiteren Ausläufer jenes hegemonialen Machtdiskurses, den man schon bei der Anti-Minarett-Debatte beobachten konnte. So war in der heutigen Grossratsdebatte in Anlehnung an das Minarett als „Machtsymbol“ immer wieder die Rede von einem „Machtsymbol der Dominanz des Mannes über die Frau“. Anders als beim Minarett handelt es sich beim Gesichtsschleier aber um eine mögliche Interpretation des islamischen Hijabs (Schleier) und damit klar um eine Kultushandlung und nicht um ein Symbol wie z.B. ein Halbmond oder Kreuzchen, das man um den Hals trägt.
Es kann nicht sein, dass von Staats wegen Kleidervorschriften gegen eine spezifische Religionsgemeinschaft erlassen werden. Die Bundesverfassung garantiert nebst der Religions- und Kultsfreiheit auch das Recht des Individuums auf freie Entfaltung. Ein Eingriff in die religiöse Kleiderordnung wäre eine krasse Einschränkung eben dieses Freiheitsrechts.