Das Eigenheim: Für Muslime bleibt es unerschwinglich.
Das Eigenheim: Für Muslime bleibt es unerschwinglich.

In der Schweiz boomt der Immobilienmarkt dank tiefer Hypothekarzinsen wie selten zuvor. Ein Eingenheim ist für viele erschwinglich geworden. Nicht so für Muslime. Gesetzliche Hürden verhindern die Rentabilität islamischer Finanzdienstleistungen – auch zum Nachteil der Finanzbranche.

Von Florim Steiner*

Selten war in der Schweiz der Erwerb eines Eigenheims so populär, wie dies zurzeit der Fall ist. Begründet durch das aktuelle Zinsumfeld, welches die Aufnahme von Hypothekardarlehen zu rekordtiefen Konditionen ermöglicht, ist der Traum von den eigenen vier Wänden für viele erschwinglich und oft auch Realität geworden. Davon ebenfalls betroffen ist die Bevölkerungsschicht der in der Schweiz lebenden Muslime. Ersichtlich wird dies, wenn man berücksichtigt, dass diese zunehmend nicht mehr aus finanzschwachen Immigranten besteht, welche die Rückkehr ins Heimatland im Blick haben, sondern vermehrt aus Individuen, die die Schweiz als Heimat und Ort ihrer Lebensplanung sehen und entsprechend den Erwerb von Immobilien anstreben oder zumindest ins Auge fassen.

Doch die Frage der Realisierbarkeit ist in diesen Fällen nicht nur eine Frage der finanziellen Potenz, sondern in erster Linie auch eine der Verfügbarkeit von geeigneten Finanzdienstleistungen.

Die Begründung für letztere liegt darin, dass die Aufnahme einer zinstragenden Schuld für einen Muslim nach den normativen Vorgaben des Islams gemäss sämtlichen islamischen Rechtsschulen nicht in Frage kommen kann. Mehrere Verse aus dem Quran sowie authentische Überlieferungen des Propheten (sas) begründen nämlich ein äusserst striktes Zinsverbot. Weder die Zahlung noch die Entgegennahme von Zinsen und im Weiteren auch jegliche sonstige Form der Beteiligung an Verträgen und Geschäften, die die Entrichtung von Zinszahlungen vorsehen, etwa als Notar, sind für einen Muslim erlaubt.

Sure 2, Verse 275-280:
„Die, welche Zins verzehren, sollen nicht anders dastehen, als einer, den Satan erfasst und niedergeschlagen hat. Dies, weil sie sagen: „Kauf ist das Gleiche wie Zinsnehmen.“. Allah hat den Kauf erlaubt, aber das Zinsnehmen verboten. …“

Gekoppelt mit der Tatsache, dass sich nur ein geringer Teil den Umgang mit der Finanz- und Bankenwelt gewohnt ist, bringt die Thematik der Immobilienfinanzierung für viele Muslime zahlreiche Unklarheiten und entsprechend viel Klärungsbedarf mit sich. Die wohl häufigste Frage dabei lautet: „Gibt es in der Schweiz die Möglichkeit, eine Immobilie zu erwerben, ohne sich bei der Finanzierung zur Bezahlung von Zinsen verpflichten zu müssen?“

Leider, so muss man sagen, ist die Antwort auf diese Frage sehr simpel. Bis heute gibt es in der Schweiz, wie auch in Deutschland, Frankreich oder in Österreich keine Möglichkeit, die Finanzierung des Eigenheimerwerbs zinsfrei zu bewerkstelligen; dies obwohl es nicht an der entsprechenden Nachfrage mangelt. So konnte im Rahmen einer im Jahr 2006 in Deutschland durchgeführten Studie unter Muslimen ein grosser Bedarf an Möglichkeiten zur islamischen Baufinanzierung festgestellt werden, wobei ähnliche Schlüsse für gesamt Zentraleuropa gezogen werden können. Wo also liegt die Ursache für diesen Gegensatz zwischen Angebot und Nachfrage?

Zu Beginn könnte man die Ursache darin vermuten, dass ein solches Unterfangen grundsätzlich überhaupt nicht möglich und dass es für ein Finanzinstitut gar nicht rentabel sein könne, dergleichen anzubieten, denn wie soll eine Bank Geld verdienen, wenn nicht durch das Zinsgeschäft? Den Beweis, dass es aber sowohl möglich wie auch rentabel sein kann, liefert eine Branche der Finanzindustrie, welche mit ihren Bestrebungen, eine Alternative zum herkömmlichen Finanzsystem zu entwickeln, Erfolg hat. Die Rede ist von sogenannten Islamic Finance-Instituten, welche ihre Finanzdienstleistung unter Berücksichtigung der Scharia-Richtlinien anbieten. Weltweit bestehen heute weit über 500 solcher Institute, wobei die grosse Mehrheit hauptsächlich im Nahen und Mittleren Osten sowie auch in Südostasien tätig ist.

Innerhalb von Europa hingegen ist Grossbritannien der wichtigste und innovativste Markt für Scharia- konforme Finanzdienstleistungen. Alleine der Markt für islamische Baufinanzierungsprodukte hat in seinem Volumen die Grenze von 1 Mrd. Pfund bereits überschritten. Interessant ist ausserdem, dass selbst gewöhnliche Bankenhäuser in diesem Geschäft mitmischen. Zur Anwendung kommen in der Regel Finanzierungstechniken die Murabahah, Ijarah und Diminishing Musharakah genannt werden, deren technischen Einzelheiten und Unterschiede für die hiesigen Erläuterungen aber nicht von Bedeutung sind. Vielmehr von Interesse ist ihre grundsätzliche Philosophie, dass das Eigentum an der Immobilie zuerst an die Bank und anschliessend an den Kunden übergeht, welche den Kern aller Instrumente zur Scharia- konformen Baufinanzierung bildet und die in den Grundsätzen islamischer Wirtschaftsethik hinsichtlich Risikoteilung und Ertragserzeugung verankert ist.

Folglich liegt die Ursache für das mangelnde Angebot in der Schweiz wie auch im restlichen Europa nicht in der fehlenden Umsetzbarkeit von Finanzdienstleistungen, welche den Ansprüchen der islamischen Ethik gerecht werden können. Aber was ist dann die Begründung für die heutige Situation?

Konkrete Erkenntnisse sind dann möglich, wenn ein direkter Vergleich zwischen Grossbritannien und der Schweiz hinsichtlich ihrer jeweiligen Rechtsordnung vorgenommen wird. Dabei wird ersichtlich, dass es die Schweiz im Gegensatz zu Grossbritannien bisher versäumt hat, ihre Rechtsordnung dementsprechend flexibel zu gestalten, dass alternative Konzepte der Immobilienfinanzierung zur Anwendung gelangen können. Das wohl grösste Hindernis ist dabei die steuerliche Ungleichbehandlung von Eigentum- und Schuldverhältnissen. So ist es per se steuerlich höchst unattraktiv, eine einmal aufgenommene Hypothek in vollem Umfang abzuzahlen, was angesichts der Tatsache, dass in Finanzierungsinstrumenten des Islamic Finance stets das volle Eigentum des Kunden am Objekt angestrebt wird, sich zu deren Nachteil auswirkt.

Damit ist die mit Blick auf die Konzipierung islamischer Finanzierungsinstrumente wichtigste steuerrechtliche Benachteiligung aber noch nicht angesprochen. Diese ergibt sich nämlich durch die steuerliche Belastung beim Eigentumswechsel von Immobilien. Das zweimalige Auftreten eines Besitzerwechsels im Rahmen der Abwicklung islamischer Baufinanzierungskonzepte führt zu zwei steuerrechtlich relevanten Transaktionen und somit zu einer doppelten steuerlichen Belastung, welche der Kunde schlussendlich alleine zu tragen hat. Dass unter diesen Voraussetzungen die ökonomische Rentabilität Scharia-konformer Baufinanzierung ad absurdum geführt wird, ist offensichtlich.

Demgegenüber hat Grossbritannien bereits im Jahr 2003 die steuerliche Benachteiligung durch die Doppelbesteuerung beim Immobilienkauf aufgehoben und den gesetzlichen Rahmen für Finanzdienstleister so gestaltet, dass für islamische Finanzierungsinstrumente keine gravierenden Wettbewerbsnachteile gegenüber den klassischen Methoden mehr bestehen. Nicht zuletzt dieser innovative Umgang mit Rechtsordnungen anderer Religionen und Kulturen, den Grossbritannien als ehemalige Kolonialmacht gekonnt und stets auch zum eigenen Vorteil handhaben kann, hat dazu beigetragen, dass der britische Finanzplatz, zur Freude der muslimische Gemeinschaft, für das Islamic Finance zu einem der wichtigsten Standorte geworden ist.

Will man hinsichtlich der Verfügbarkeit einen Blick in die Zukunft wagen und sich zu einer Prognose hinreissen lassen, so dürfte diese wohl nicht weniger ernüchternd ausfallen. Rechtliche Reformen wären der Schlüssel, doch werden diese in der Regel erst als Reaktion auf politischen oder gesellschaftlichen Druck hin vorgenommen. Angesichts einer mehrheitlich islamophoben Gesellschaft wäre der einzig gangbare Weg zu solchen Reformen jener über den politischen Lobbyismus. Hierzu fehlt es der muslimischen Gemeinschaft aber noch an der Fähigkeit, ihr Gewicht mit der notwendigen Vehemenz in die Waagschale werfen zu können.

*Florim Steiner ist derzeit Masterstudent in Wirtschaft an der HSG. In seinen Studien befasst er sich auch schwerpunktmässig mit Islamic Finance. 

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