Bern, 11.10.2010
Der Islamische Zentralrat hat sich an seiner heutigen, regulären Vorstandssitzung auch mit der laufenden Debatte um die katholischen Kruzifixe in der Walliser Gemeinde Stalden beschäftigt. Er hat seinen Unmut über die damit verbundene implizite, teils auch explizite Instrumentalisierung der Muslime ausgedrückt und sieht sich veranlasst seine Position in der Frage öffentlich kundzutun.
Die Schweiz ist zwar ein religionsneutraler Staat, nicht aber ein streng laizistischer. Die Bundesverfassung eröffnet ihre Präambel «Im Namen Gottes, des Allmächtigen!» und reklamiert damit klar Platz für das Religiöse im öffentlichen Raum.
Der islamische Zentralrat bekennt sich zur Religionspluralität. Dazu gehört, dass sowohl die negativen wie die positiven Freiheitsrechte anderer respektiert werden. Er bedauert, dass einzelne soziale Akteure immer wieder versuchen, mit ausgeprägt subjektiven Freiheitsverständnissen anderen Bekenntnissen das Recht auf ihre religiöse Manifestation und Selbstentfaltung durch Verbote zu beschneiden.
Dies gilt nicht nur für Freidenker – die ja soziologisch betrachtet den religiösen Bekenntnissen gleichgestellt sind, sondern selbstverständlich auch für uns Muslime. Es ist gerade die islamische Normativität (iN), die diesen religiösen Pluralismus in ihren Ursprüngen schon rechtfertigt. So lange kein Lehrer Zwang auf seine Schüler ausübt, religiöse Riten oder Glaubensinhalte zu praktizieren oder bekenntnisorientiert zu lernen, so lange das Kreuz lediglich präsent ist, ist unserem Dafürhalten nach die Religionsfreiheit keines Schülers in irgendeiner Weise verletzt.
Der Islamische Zentralrat respektiert die katholische Tradition, ihren Glauben an die Kreuzigung Jesu im öffentlichen Raum mit Kruzifixen kundzutun und appelliert an die Freidenker, diesen Streit als Anlass für Reflexionen auch ihrerseits über das bewährte Prinzip interreligiöser Toleranz zu nehmen.