Auch über Juden machte man sich einst lustig
Auch über Juden machte man sich einst lustig

Viktor Giacobbo gibt sich selbstsicher. Erwartungsgemäss jubeln viele nach seiner Tirade gegen Muslime. Satire dürfe alles, sei völlig unverdächtig und wer sie kritisiert, entlarve sich als intolerant – so übrigens die gängige Sichtweise vieler Satiriker. Dass Satire je nach Zeit und Kontext auch zur Stigmatisierung von Minderheiten missbraucht werden kann, ist die Kehrseite der Medaille.

Von Abdel Azziz Qaasim Illi   



Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Viktor Giacobbo im Nachgang an die Kritik islamischer Verbände überwältigenden Zuspruch aus der 20-Minuten Leserschaft erfahren hat – im Gegenteil. Eine von Dutzenden Lesermeinungen zum 20-Minuten Artikel trifft die Problematik mit erschreckender Präzision:

«Der Islamische Zentralrat und die VIOZ sollten gut daran tun und sich fragen, woher diese Witze kommen. Diese Witze sind ein Spiegel der Ansicht vieler Leute. So traurig wie es ist, so wird halt darüber gedacht. Satire ist oft auch ein Spiegel der Gesellschaft. Das islamische Image in der Schweiz ist schlecht und die Schweiz hat Angst vor dem Islam.»

Richtig, Giacobbo und Müller haben keine neuen islamophoben Ressentiments geschaffen, sondern bestehende aufgegriffen und wie sich das für ihre Satiresendung nicht anders gehört, dem Publikum als Lachnummer vorgetragen.
Warum auch nicht? Schliesslich macht sich das Satiriker-Duo ja auch über Christen, Politiker und das Minarett-Verbot lustig. Ebenfalls richtig. Und übrigens auch wiederholt über Exponenten des IZRS – ohne dass sich jemals jemand daran gestossen hätte. So viel zum Thema mangelnder Humor.

Auch die letzte Sendung wäre wohl ohne grosses Aufsehen längst in Vergessenheit gerückt, wenn sich die Satiriker ein klein wenig verantwortungsbewusster verhalten hätten. Anstatt die Muslime kollektiv als dumm, rückständig und gefährlich zu karikieren, hätte den beiden auch einfallen können, einen muslimischen Exponenten, eine Organisation oder Regierung ins Lächerliche zu ziehen. Verschweigt man die Hintergründe, so bietet die zitierte Mars-Flug-Verbots Fatwa ja in der Tat einiges an Stoff, worüber sich auch Muslime bestens amüsieren könnten.

Satire hat auch Grenzen 

Dass Satire nicht ganz alles darf, weiss niemand besser als der Satiriker selbst. Jede Gesellschaft hat ihre Tabus, ihre diskursiven Grenzen, deren Überschreitung sofort massenhafte Empörung auslösen würde – einen «shitstorm» im Fachjargon. Ein ganz heisses Eisen wäre hier und heute etwa die antisemitische Karikierung der Juden, Rassismus oder homophobe Witze gegen Homosexuelle bzw. antifeministische Komik usw. Das heisst nicht, dass sich der Satiriker nie einen Frauenwitz gönnt aber er wird es vermeiden, gesellschaftlich ausgehandelte Konventionen wie etwa die Emanzipation der Frau in Frage zu stellen.

Muslime befinden sich gerade in einem solchen Aushandlungsprozess mit der Gesellschaft. Wie einst Juden, Schwarze und Frauen für ihre Anerkennung kämpfen mussten, steht auch den Muslimen noch einiges an Arbeit bevor. Kaum wird man ihnen den begehrten Platz in der Mitte der Gesellschaft widerstandslos überlassen. Gewichtige Gruppen versuchen diesen Normalisierungsprozess aus unterschiedlichen Motiven nicht zuletzt durch die Mobilisierung gesellschaftlichen Widerstands zu torpedieren. In einem direktdemokratischen Land wie der Schweiz ist dies fraglos einfacher und der Weg der sozialen Integration um ein vielfaches steiniger als in einem parlamentarischen System, in dem populistisches Störfeuer kurzfristig weniger Wirkung zeigt.

Umso grösser ist die Verantwortung öffentlicher Akteure im Umgang mit derart sensiblen Themen. Dass neben anderen Kunstformen gerade auch die Satire ein in der Geschichte mehrfach erprobtes Stilmittel zur Diffamierung von Minderheiten war, kann am Beispiel Wilhelm Buschs, einem der erfolgreichsten Humoristen des 19. Jh., exemplarisch nachgezeichnet werden. Der nach wie vor unvergessene Schöpfer von «Max und Moriz» muss sich heute vorwerfen lassen, antisemitische Klischees in sein Werk eingeflochten zu haben. Damit war er in seiner Zeit ganz und gar nicht allein. Auch damals stand die Mehrheitsgesellschaft unkritisch hinter ihm, Richard Wagner, Otto Böckel und wie sie alle hiessen. Antisemitismus war populär, gehörte zum guten Ton in Politik, Gesellschaft, Kirche und Kunst. Wer ein breites Publikum erfolgreich zu adressieren wünschte, bediente sich den gängigen antisemitischen Klischees.

Fragt man nun noch einmal nach, weshalb Muslime ob der Giacobbo Müller Satire nicht in Gelächter ausbrechen können, so führt die Antwort geradewegs in die Korrelation zwischen reellen, alltäglichen Diskriminierungserlebnissen und den in der Sendung bedienten islamophoben Stereotypen. Viele Muslime sind nicht nur am TV-Schirm, sondern in der Praxis mit genau solchen Klischees konfrontiert. Da wirkt es besonders bitter, wenn diese Verantwortungslosigkeit auch noch über das SRF transportiert wird, welches unter öffentlichem Auftrag steht und mitunter auch von Muslimen finanziert wird. Daher das Unverständnis von muslimischer Seite her und nicht weil es um Glauben, Wahrheit oder Zensurgelüste gehen würde.

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