Bern, 17.08.2010

***Zitiert nach BernerZeitung Online***

Die Motionen von Grossrat Daniel Steiner-Brütsch (EVP, Langenthal) und Erich Hess (SVP, Bern) sprechen ein derzeit heikles Thema an: die Verschleierung der Frau mit Burka (Bedeckung des Körpers) oder Niqab (Gesichtsschleier). Steiner-Brütsch fordert, der Kanton Bern solle eine Standesinitiative lancieren, um in der Bundesgesetzgebung ein Verschleierungsverbot in öffentlichen Einrichtungen zu ermöglichen. Hess wünscht sich ein Verschleierungsverbot in der Kantonsverwaltung und in Schulen. In Unterrichtsräumen soll demnach gar das Tragen sämtlicher Kopfbedeckungen untersagt werden.

Beide Motionäre argumentieren vorab mit der Diskriminierung der Frau. Eine Verschleierung widerspreche dem Selbstbestimmungsrecht der betreffenden Frauen und stelle ein Hindernis für deren Integration dar. Es gelte aber auch, die Werte einer freiheitlichen Gesellschaft im öffentlichen Raum zu stärken.

Kein Bedürfnis

Der Berner Regierungsrat lehnt beide Motionen ab. In seinen Antworten stellt er fest, dass es in der Schweiz kaum Burka-Trägerinnen gebe. Der Kanton Bern sei bislang noch nie mit dem Wunsch einer Mitarbeiterin konfrontiert worden, während der Arbeit einen ganz oder teilweise verhüllenden Schleier zu tragen. Auch aus der Privatwirtschaft seien keine entsprechenden Forderungen bekannt. «Ein Verschleierungsverbot für Kantonsangestellte ist daher aus Sicht des Regierungsrates weder sinnvoll noch notwendig. Es würde ein Verhalten untersagt, für das es schlicht kein Bedürfnis gebe», heisst es. Viele Frauen würden ihr Kopftuch freiwillig tragen. «Ein Kopftuchverbot käme daher einer Einschränkung genau jener Freiheitsrechte gleich, die mit dem Verbot geschützt werden sollen», meint der Rat.

Ein generelles Kopftuchverbot oder gar Kopfbedeckungsverbot ist gemäss der Berner Regierung zudem mit den garantierten Grundrechten in der Bundesverfassung nicht vereinbar. Ein Verbot bedürfe jedoch zwingend einer gesetzlichen Grundlage, es müsse zudem durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Weiter dürfe es den Kerngehalt der Religionsfreiheit nicht antasten.

Die Identifikation einer Person sei durch das Kopftuch nicht erschwert, solange das Gesicht erkennbar sei, meint die Regierung in ihrer Antwort weiter. Es könne zudem davon ausgegangen werden, dass eine Frau ihren Schleier auf Ersuchen von Behörden hin heben und ihr Gesicht zeigen würde.

Eine Standesinitiative – wie von Steiner-Brütsch verlangt – sei überdies das falsche politische Instrument, um diese Frage zu klären. Diese soll kantonale oder regionale Interessen in den bundesstaatlichen Entscheidungsprozess einbringen. Das Verschleierungsverbot sei aber kein spezifisch bernisches Anliegen.

Regeln für Lehrpersonen

Allerdings hält die Regierung in ihren Antworten fest, dass das Verschleiern durchaus auch Grenzen hat. So müssten Uniform tragende Polizistinnen und Polizisten oder Personen, die aus Sicherheitsgründen bestimmte Kleidervorschriften beachten müssten, darauf verzichten. Für Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen habe das Bundesgericht ein Kopftuchverbot als zulässig erachtet, weil der Grundsatz der Neutralität der Schule und der Schutz religiöser Gefühle von Schülern und Eltern verletzt werden könnten.

Ein neues Gesetz sei aber im Kanton Bern nicht nötig. Die Regierung geht davon aus, dass in der Anstellungsgesetzgebung eine genügende Rechtsgrundlage vorhanden ist. Weitergehende Entscheide über Verbote müssten im Einzelfall beurteilt werden.

Quelle: BernerZeitung Online, Regierung gegen Schleierverbot, 17.08.2010.

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