Schweizer Muslim wehrt sich gegen Schwimmzwang
Schweizer Muslim wehrt sich gegen Schwimmzwang

Aziz O. sieht durch den gemischten Schwimmunterricht die Religionsfreiheit verletzt. Nun hat er beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde eingelegt.

(ni) In Basel-Stadt ist der gemischte schulische Schwimmunterricht  Pflicht. Unabhängig davon, ob die Schüler bereits schwimmen können. Dagegen wehrt sich Aziz O. standhaft., trotz Bussen der Schulbehörden. Er macht geltend, dass in der von ihnen gewählten islamischen Auslegung, gemeinsamer gemischter Schwimmunterricht untersagt sei. Im Qur’an wird gemäss dem Wortlaut verlangt, dass der weibliche Körper ab Geschlechtsreife bedeckt werden soll. Die Busse sei ein unzulässiger Eingriff in ihre Glaubens- und Gewissensfreiheit. Diese Ansicht teilte das Bundesgericht im März 2012 nicht und bestätigte die Bussen (Bundesgericht bestätigt Urteil bezüglich Schwimmunterricht).

Beschwerde wegen Verletzung der Religionsfreiheit

Nun hat der Sekretär der Muslimischen Gemeinde Basel (MGB) Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Er sieht in dem Schwimmunterricht-Obligatorium eine Verletzung der Religionsfreiheit. Aziz O. sagt: «Ich bin zuversichtlich, dass die Richter in Strassburg unser Anliegen richtig beurteilen werden.» Gemäss seiner Anwältin Sandra Sutter könnte der Fall schon in der nächsten Woche behandelt werden und ein Urteil vorliegen.

Das Erziehungsdepartement im Kanton Basel-Stadt war über den Weiterzug des Falls nicht informiert. «Wir wussten nichts davon, dass die Familie an den Europäischen Gerichtshof in Strassburg gelangt ist», sagt Pierre Felder, Leiter Volksschulen. «Sollte das Gericht der Familie Recht geben, würde das unsere Praxis ändern. Wir wären dann verpflichtet, das Schulgesetz zu ändern.»

Das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird richtungsweisend sein für die zukünftigen Dispensationsgesuche für den Schwimmunterricht an Schweizer Schulen.

Bussen werden bezahlt

Seit der Revision des Basler Schulgesetzes, welches den gemischt-geschlechtlichen Schwimmunterricht vorschreibt, können bei nicht bewilligten Absenzen Bussen ausgesprochen werden. «Die Busse ist für uns das letzte Mittel. Sprechen wir eine solche aus, dann beläuft sich die Strafe auf 350 Franken», sagt Felder.

Vor der Revision war eine Dispensation aus religiösen Gründen problemlos möglich. Die Anwältin Sutter sieht den Grund für die strengere Interpretation in einer neuen gesellschaftlichen Entwicklung. «Sicher trägt eine gewisse Islamophobie ihren Teil dazu bei», sagt sie.

Mädchen und Jungen verweigern die Teilnahme am Schwimmunterricht

Da es Aziz O.ein wichtiges Anliegen ist, dass seine Töchter schwimmen können, besuchen sie einen privaten Schwimmunterricht. Auch andere Familien bevorzugen die privaten Schwimmlektionen. «Im aktuellen Schuljahr mussten wir drei Familien büssen», sagt Pierre Felder. Die Bussen betrafen sowohl Mädchen, wie auch Jungen.

Den Vorwurf der Islamophobie will Felder nicht gelten lassen und sagt: «Es geht uns auch um unsere sozialen und kulturellen Werte. Der gemischte Schwimmunterricht ist ein Teil unserer sozialen Realität.» Der Basler Muslim glaubt nicht, dass er mit seinem Dispensationsgesuch gegen «kulturelle Werte der Schweiz verstosse». Er fordere einzig, dass das Recht auf freie Ausübung seiner Religion gewährleistet werde. Schliesslich sei es wichtig, dass die Kinder schwimmen können und nicht der Umstand, dass dies in einem gemischt-geschlechtlichen Unterricht stattfinde.

Unterstützung von Riehener Unternehmer

Für den Riehener Unternehmer Johannes Czwalina ist das Recht auf Religionsfreiheit ein wichtiges Gut. Daher unterstützt er die Muslime, indem er den Betroffenen finanziell unter die Arme greift. Dafür habe er bereits mehrere tausend Franken inverstiert. Czwalina setzt sich im Sinne des liberalen Geistes für die Muslime ein, wie er sagt. «Es darf nicht sein, dass ihre Schamgefühle durch unsere Kultur verletzt werden.»

Beide, Aziz O. und Johannes Czwalina, sagen, dass sie eine Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte akzeptieren würden. An ihrer Haltung würde sich aber nichts ändern. «Sollte der Weg über Strassburg scheitern, wird die Idee von Schulen für Muslime in der Schweiz konkreter», sagt Czwalina. «Und dabei werde ich sie ­finanziell unterstützen.»

Quelle: Tagesanzeiger, Aziz O. klagt gegen die Schweiz, 27.03.2013.

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