Bern, 15.08.2010

Von Abdel Azziz Qaasim Illi

Die aktuelle Diskussion um Hijab-Verbote an St. Galler Schulen fördert zuweilen auch Kurioses zutage. Recherchen des «Sonntags» im Zusammenhang mit dem zweiten konkreten St. Galler Fall, wo ein Hijab-Verbot ausgesprochen wurde, haben ergeben, dass neben Heerbrugg und Bad Ragaz noch acht weitere Gemeinden im Kanton ihre Schulhausordnungen dahingehend angepasst haben, dass das Tragen islamischer oder auch jüdischer Kopfbedeckungen nunmehr verboten ist.

Besonders erstaunt jedoch die fundamentalistische Argumentation der Wiler Schulratspräsidentin Marlis Angehrn. Sie trat vergangene Woche bereits in Tele Ostschweiz als «Kennerin des Korans» auf und erklärte, wie sie mit Mädchen bzw. deren Eltern umzugehen pflege, die den Hijab tragen wollen. Demnach versteht sie es als ihre Pflicht, die religiöse Praxis der Betroffenen im Rahmen eines Gespräches zu analysieren. Dabei knüpft Angehrn die Zulassung des Hijabs im Einzelfall an die Einhaltung der islamischen Pflichtgebete. Beten sei schliesslich eine «Hauptpflicht». Wer diese schon nicht erfülle, könne sich auch bei «Nebenpflichten», wie dem Tragen des Hijabs, nicht auf die verfassungsmässig garantiere Religions- und Kultusfreiheit beziehen.

Ganz Unrecht hat die Schulratspräsidentin nicht. Dass man offenbar auch bemüht ist, religiös praktizierenden Kindern eine Gebetsnische zur Verfügung zustellen, zeugt von gelebter Toleranz und Aufgeschlossenheit. Ob es sich in einem religionsneutralen Staat jedoch geziemt, die Zulassung bzw. das Verbot einer religiösen Kultushandlung von der vermeintlichen Rechtsgläubigkeit der betroffenen Person abhängig zu machen, dürfte noch zu reden geben.

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