Die Zürcher Gemeinde Adliswil hat den Stadtrat beauftragt, Massnahmen gegen das Tragen sog. «religiöser Symbole» im öffentlichen Dienst zu ergreifen. Am Anfang der Debatte steht ein Elternaufstand gegen das Kopftuch einer muslimischen Kinderbetreuerin.
(qi) Eigentlich kommt das Abstimmungsresultat vergleichsweise noch ausgewogen daher. 61.4% der Adliswiler Stimmbürger haben sich letzten Sonntag an der Urne für eine vom Stadtrat vorgeschlagenen Änderung des Personalstatuts entschieden. Obwohl es in der Gemeinde ausgemachte Sache war, dass Anlass und Ziel der Änderung das Tragen des islamischen Hijabs im öffentlichen Dienst ist, wurde der entsprechende Passus so allgemein formuliert, dass er nicht als diskriminierend angefochten werden kann. Hätte sich der Passus spezifisch auf den Hijab bezogen, darf man vermuten, wäre die Zustimmung noch etwas deutlicher ausgefallen.
Adliswil liegt geografisch etwas eingeklemmt zwischen der Stadt Zürich und dem Bezirk Affoltern. Der Wähleranteil der rechtsnationalen SVP liegt mit 33.4% nur knapp unter dem in den letzten Jahren stark gewachsenen Ausländeranteil von 34.4%. Mit dem Zuzug der Ausländer korrespondiert auch eine Zunahme der nicht-christlichen Konfessionsangehörigen mit all ihren Bedürfnissen, was selbsterklärend von allen Seiten ein Mehr an Toleranz erfordern würde. Wie kaum anders zu erwarten tut sich die Zürcher Gemeinde schwer damit. Die parallel steigenden SVP- und Ausländeranteile bieten offenbar nicht den geeigneten Rahmen dafür.
Am Anfang stand ein Kopftuch
Ende 2015 beantragte der Adliswiler Stadtrat eine Teilrevision des Personalstatuts. Auffallend war der zweite Absatz, in dem es neu hiess: «Mitarbeitende verhalten sich in ihrer Tätigkeit neutral. Der Stadtrat kann zum Schutz der Grundrechte der Kundinnen und Kunden der Stadt Vorschriften zum neutralen Verhalten der Mitarbeitenden erlassen, namentlich den Verzicht auf politische, religiöse oder weltanschauliche Aussagen und Symbole bei Einrichtungen und der Kleidung vorschreiben.» Zunächst wollte der Gemeindepräsident Harald Huber (FDP) nicht zugeben, dass der Neuregelung ein konkreter Fall vorausging. Erst später wurde bekannt, dass eine muslimische Betreuerin im Kinderhaus Werd befristet mit Hijab gearbeitet hatte, was offenbar zu Reklamationen seitens involvierter Eltern geführt haben soll. Zwar habe man mit der Frau eine Lösung gefunden. Der Fall habe aber gezeigt, dass eine gesetzliche Grundlage, für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst fehle. Der neue Passus erlaubt dem Stadtrat nun, die konkrete Einschränkung der Grundrechte öffentlicher Angestellter bei Bedarf. Den Bedenken aus kirchlichen Kreisen, wonach ein Kreuzchen an der Halskette dem impliziten Kopftuchverbot zum Opfer fallen könnte, trat der Gemeindepräsident mehrmals deutlich entgegen. Man werde die neue Regelung verhältnismässig anzuwenden wissen.
Der Gemeinderat stimmte dem Antrag mit 20 zu 15 Stimmen zu. Die Volksabstimmung von letztem Sonntag wurde nötig, weil die SP und die Grünen das Referendum ergriffen hatten. Der Linken ging die neue Regelung zu weit, sie greife in die Rechte der Mitarbeiter ein.
Trotz Bedenken aus linken und kirchlichen Kreisen sagten 61.4% Ja zum neuen Personalstatut. Die SVP versprach ihren Wählern, dass ein Kreuzlein von der neuen Regelung nicht betroffen sein werde. Dies entspreche der abendländischen Kultur. Dagegen könne nun gegen Kopftücher und Ganzkörperverschleierung vorgegangen werden.
Zentralrat beobachtet die Umsetzung
Gegen den aktuellen Passus lässt sich nichts unternehmen. Erst anhand des konkreten Einzelfalls könne das Handeln der Behörden auf ihre Verfassungsmässigkeit hin überprüft werden, sagt Janina Rashidi, Pressesprecherin beim Islamischen Zentralrat Schweiz. IZRS Präsident Nicolas Blancho kritisierte den neuen Passus als weiteren Angriff auf die Religionsfreiheit: «Das neue Personalstatut zielt offenkundig darauf ab, den Hijab aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Bei aller Kritik an der französischen laïcité, so attestiere ich ihr immerhin eine gewisse Konsequenz im Umgang mit dem Religiösen. Hier lässt mich das Gefühl aber nicht los, dass es wie in der Debatte verlautbart exklusiv gegen die Muslime richtet.»
Hijab ist kein religiöses Symbol
Tatsächlich ist der islamische Hijab anders als ein Kreuz, Davidstern oder ein Halbmond kein religiöses Symbol. Der Hijab ist vielmehr integraler Bestandteil des islamischen Kultus. Alle sunnitischen- wie schiitischen Rechtsschulen erachten das Tragen eines «Kopftuches» für Frauen ab der Pubertät als religiöse Individualpflicht. Ob ein freier Mensch Glaubenspflichten nachkommt oder sie vernachlässigt, so weit sie Dritten keinen nachweislichen Schaden zufügen, darf aufgrund der verfassungsmässig garantierten Religions- und Kultusfreiheit nicht durch staatliche oder privatwirtschaftliche Regulative vorweggenommen werden. Ein Verbot des islamischen Hijabs käme einem gravierenden Eingriff in die Freiheitsrechte muslimischer Angestellter gleich und liesse sich in einer toleranten, freiheitlichen Gesellschaftsordnung nicht stringent begründen.