Am Vormittag des 13. Dezember befasst sich der Walliser Grosse Rat (Kantonsparlament) mit einer Kopftuchverbots-Initiative der SVP. Die Regierung empfiehlt das Begehren aus „moralischen Gründen“ zur Ablehnung. Der Ausgang ist offen.
(qi) Die Initiative wurde von der Walliser SVP als Reaktion auf den letzten Leitentscheid des Bundesgerichts im Februar 2016 mit 4329 gültigen Unterschriften eingereicht. Sie fordert «die Ausarbeitung eines Gesetzes, welches ein Kopfbedeckungsverbot an sämtlichen öffentlichen Schulen des Kantons verlangt». Das Verbot würde nicht nur den islamischen Hijâb betreffen, sondern auch die jüdische Kippa, Turbane sowie alle weiteren Arten der religiös oder modisch bedingten Kopfbedeckungen.
Die Justizkommission hat die formelle Zulässigkeit der Initiative bestätigt, wobei einige Mitglieder der Ansicht waren, dass die «Initiative moralisch verwerflich sei». Bei seiner materiellen Prüfung der Initiative habe der Grosse Rat jedoch über ihre Zulässigkeit befunden. Die beratende Kommission des Grossen Rats empfiehlt wie auch schon die Regierung die Initiative zur Ablehnung. Ob sich der Grosse Rat danach richtet, wird die Abstimmung über das Geschäft am kommenden 13. Dezember zeigen.
Knappe Abstimmung erwartet
Die SVP an sich ist im Wallis nicht besonders stark vertreten. Sie kommt derzeit auf 23/130 Sitze. Nicht viel einflussreicher sind die SP und die FDP. Beide kommen je auch 26/130 Sitze. Deshalb wird die im Wallis traditionell starke CVP mit 55/130 Sitzen den Ausschlag geben. Sie aber ist gespalten in der Frage. Während ihr rechter Flügel das Ansinnen der SVP unterstützt, sieht ein Teil der Parteigenossen auch Gefahren bei Vorlagen, die die Religionsfreiheit einschränken. Schliesslich kann man sich im katholisch-konservativen Wallis schlecht auf säkulare Grundsätze berufen. Ein Angriff auf die Religionsfreiheit der Muslime könnte sehr bald auch zum Bumerang werden und etwa Freidenkern wie Valentin Abgottspon eine Steilvorlage gegen Kruzifixe in Schulzimmern oder andere christliche Symbole und Einflüsse liefern.
Wie auch immer der Grosse Rat entscheidet, das Geschäft ist am 13. Dezember noch lange nicht vom Tisch. Wird der Rat die Initiative ablehnen, muss das Stimmvolk an der Urne darüber befinden.
Kopftuchverbot verletzt Verfassungsrecht
Der jüngste Leitentscheid des Bundesgerichts (2C_121/2015) hält fest, dass ein solches Verbot unverhältnismässig sei, da es weder die religiöse Neutralität des Staates verletze, den regulären Schulbetrieb störe, die Religionsfreiheit der anderen Schülerinnen und Schüler beeinträchtige noch die Gleichstellung der Geschlechter negiere. Ausserdem würde ein allgemeines Verbot gegen das Tragen jeglicher Kopfbedeckung neben der Glaubens- und Gewissensfreiheit möglicherweise auch das Recht auf persönliche Freiheit des Schülers verletzen, das von Art. 10 der Bundesverfassung garantiert wird.
Die Urheber der Initiative haben kein Argumentarium zur Begründung ihres Begehrens eingereicht, wie aus der Botschaft zur kantonalen Volksinitiative «Kopfbedeckungsverbot an Walliser Schulen» hervorgeht. Ihre Gründe seien hingegen den Aussagen zu entnehmen, die sie in den Medien gemacht haben. Es gehe darum, die Schule, «die zu einem Ort werde, wo Sippenverhalten zelebriert und die Zugehörigkeit zu fremden Religionen zur Schau gestellt werde» vor nicht christlichen Werten zu bewahren. Die Islamisierung bedrohe laut den Initianten Schritt für Schritt die Grundlagen unserer Zivilisation und Gesellschaft.
Islamischer Zentralrat lehnt Verbot ab
Der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) lehnt ein Kopftuchverbot an Schulen klar ab. Er beobachtet den weiteren Gang des Geschäfts in Kanton Wallis genau und wird nötigenfalls rechtliche Schritte prüfen. Dies weil das Tragen des Hijab ist für muslimische Frauen ab der Pubertät eine pflichtige Kultushandlung. Anders als ein Kreuz, Davidstern oder Halbmond ist es kein religiöses Symbol im engeren Sinne, sondern integraler Bestandteil des islamischen Kultus. Lesen Sie mehr zum Thema: Religiöse Symbole, Kultus und Kultur – Es herrscht grosse Verwirrung.