Der Islamische Zentralrat nimmt das jüngste Urteil des EGMR in Sachen Zwang zum gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht zur Kenntnis. Ohne es bisher im Dispositiv gesichtet zu haben, entspricht es seinen Erwartungen. Der IZRS schätzte die Prozesschancen bereits nach dem Urteil des BG als gering ein. Er war nicht Partei im Verfahren.
Kommuniqué 10012017 – 0141
Der IZRS vertritt die Ansicht, dass es zumutbar sein sollte, am Schwimmunterricht teilzunehmen, sofern das Tragen eines islamischen Schwimmanzugs nicht untersagt wird. Mit Rücksicht auf andere Sichtweisen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft ist er der Meinung, dass es nicht zielführend sein kann und auch nicht dem Geist einer freiheitlichen politischen Ordnung entspricht, wenn man religiöse Menschen entgegen ihres Gewissens zwingt, am gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht teilzunehmen.
Um das Erlernen des Schwimmens an sich ging es den Betroffenen gar nicht. Dass ein Kind schwimmen können muss, steht allgemein ausser Frage. So hat der Basler Kläger seinen Kindern im Rahmen eines privaten Schwimmunterrichts die Kompetenz vermitteln lassen.
Einseitige Inwertsetzung einer Weltanschauung
Das Bundesgericht machte schon in seinem Urteil klar, dass es um ‚Integration‘ gehe und das öffentliche Interesse daran jenem der subjektiven Religionsfreiheit überwiege. Dies klingt in muslimischen Ohren nach einer merkwürdigen und einseitigen Inwertsetzung einer bestimmten Sicht, wie sich die Geschlechter zueinander zu verhalten haben.
Der Islam sieht im Rahmen seiner Normativität eine weitestgehende Geschlechtertrennung vor. Im Westen hingegen dominiert die Idee der Geschlechtergleichheit, woraus sich in der Praxis in vielen Bereichen eine Geschlechtermischung ergibt. Nicht umsonst diskutieren wir entlang dieser weltanschaulichen Bruchlinie immer wieder über Niqab, Hijab, Handschlag oder Schwimmunterricht.
Toleranz als Zauberformel
Religionsfreiheit ist ein Kind des Toleranzdiskurses im Nachgang an die europäischen Religionskriege. Es ist schade, dass die einst religiös begründete heute durch eine ebenso gefährliche säkulare Intoleranz ersetzt wird.
Man kann es drehen, wie man will. Der strukturelle Kern der Debatte ist ein abhandengekommener Wille zur Toleranz – in diesem Fall seitens der Mehrheitsgesellschaft – getragen durch den EGMR – gegen eine differente Werteauffassung des Islams.
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