mayu_islamiImmer öfters wird Frauen, welche sich für eine dezente Badebekleidung entscheiden, der Zutritt zu öffentlichen Bädern verwehrt. Nun entschied die Stadtregierung von Cannes gar, dass wer ein «Burkini» trägt, sich zu einer «terroristischen Organisation» zuordne. Nora Illi sagt, warum es noch schlimmer kommen wird, wenn sich Musliminnen dies weiter gefallen lassen.

Von Nora Illi 


Angesichts dieser Argumentation möchte man beinahe meinen, es handele sich hierbei um einen schlechten Scherz, doch leider ist es nun tatsächlich Realität: nach dem Hijab in der Schule und dem Niqab auf öffentlichem Grund, wurde nun in Cannes das nächste religiös motivierte Kleidungsstück muslimischer Frauen verboten. In der Konsequenz bedeutet das, dass eine Frau, die nicht bereit ist, sich auszuziehen und halbnackt der Öffentlichkeit zu präsentieren, von Amtes wegen mit «Terrorismus» in Verbindung gebracht und gebüsst wird. Jegliche positive Aspekte – wie der optimale Sonnenschutz – spielen bei dieser Debatte längst keine Rolle mehr.

Dass es bei dieser Art der Symbolpolitik nicht um einen Kampf gegen terroristisch motivierte Gewalt gehen kann, steht ausserhalb jeder ernsthaften Diskussion. Den Franzosen ging es ausserdem nie um das Kopftuch an sich, den Niqab oder den «Burkini». Es ging von Anfang an darum, den Muslimen in der alten gewohnten kolonialistischen Manier die eigenen Vorstellungen und vermeintlichen Werte aufzuoktroyieren und den Islam als eine in die Schranken seiner vermeintlichen Unzivilisiertheit zu weisen.

Bereits in der politischen Debatte um das Kopftuchverbot an französischen Schulen kristallisierte sich heraus, dass es keine faktischen Schwierigkeiten, sondern vielmehr Ressentiments und die Projektion unterschiedlicher Probleme auf das Kopftuch waren, die letztlich zur Implementierung dieses Verbot geführt haben. Gleiches gilt für das Verschleierungsverbot, dessen Nutzlosigkeit im Hinblick auf die Verbesserung der öffentlichen Sicherheit gar vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bestätigt wurde. Eine Antwort auf die Frage, wie genau ein Zusammenhang zwischen «Burkini», dem Willen, sich aus religiöser Überzeugung zu bedecken und Terrorismus festgestellt werden kann, darf man nun in diesem Fall wohl ebenfalls nicht erwarten.

Dabei ist die Front gegen Muslime schon lange kein Monopol der Konservativen mehr. Auch die Linke polemisiert nicht minder enthusiastisch in die gleiche Richtung, selbst wenn die Argumentation abweicht und mit Vorliebe das Klischee der armen, unmündigen muslimischen Frau, die es von ihrem «Schleier» zu befreien gilt, in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Dabei ist es gerade ein Burka-Verbot, welches einer unter Nötigung bedrängten Frau die Möglichkeit nehmen würde, sich Hilfe zu suchen. Ihr wird durch das Verbot ja die Option genommen, ausserhalb ihrer Wohnung soziale Kontakte zu knüpfen oder Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Stimmen, die begründbar anmahnen, dass es genau diese Agitation, die sich in einer intoleranten und von Aktionismus geprägten Verbotskultur niederschlägt, sei, welche Muslime zu Menschen zweiter Klasse degradiert, werden schlichtweg ignoriert. Muslime werden zu einem Teil ausserhalb der Gesellschaft, für den scheinbar spezielle Gesetze erlassen werden müssen. Das genau solche Ausgrenzung Betroffene empfänglich für die Propaganda des IS macht, wird tabuisiert.

Angesichts dieser zunehmenden Einschränkung von Muslimen, die nicht nur in Frankreich, sondern genauso in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Belgien und vielen anderen Ländern stattfindet, ist es an der Zeit, dass Muslime sich geschlossen diesen Herausforderungen stellen und sich zur Wehr setzen. Es geht nicht um den einzelnen Fall oder darum, ob man selbst betroffen ist, sondern um die in Europa immer stärker zunehmende Tendenz, Muslime vor allem unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit einzuschränken und ihre Religiosität zu sanktionieren. Was beim Hijab begonnen hat, wird nicht mit dem «Burkini» enden. Das betrifft alle Muslime!

Der Artikel 15 in der Schweizer Bundesverfassung versichert, dass die Glaubensfreiheit gewährleistet ist. Dies beinhaltet auch die Ausübung der Kultushandlungen. Es ist das Recht der Muslime im Hijab den Sportunterricht zu besuchen, im Niqab auf der Piazza Grande Gelatto zu essen und im «Burkini» im Vierwaldstättersee zu schwimmen! Andernfalls ist Widerstand keine Option, sondern unsere Pflicht.

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