«Nicht rühren, nichts anfassen oder wir schiessen», schrien die Polizeibeamten, als sie vor einer Woche die Gebetsräume der muslimischen Gemeinde in Prag stürmten. Gegen diesen «unverhältnismässigen» Polizeieinsatz protestierten die Prager Muslime gestern mit einem Freitagsgebet vor dem Innenministerium.
(qi) Die Teilnehmer am vorletzten Freitagsgebet in der muslimischen Gemeinde Prag dürften nicht schlecht gestaunt haben, als mitten im Zeremoniell schwerbewaffnete Polizisten in die Moschee stürmten, auf Tschechisch und Englisch bedrohlich Befehle herumschrien, den Gottesdienst unterbrachen und mit ihren Schuhen den Teppich beschmutzten.
Dabei gingen sie weder zimperlich noch verhältnismässig vor. Selbst eine völkerrechtlich geschützte Person, wie etwa der anwesende erste Sekretär des indonesischen Botschafters wurde zusammen mit weit über hundert anderen Gläubigen Stundenlang gegen ihren Willen festgehalten, kontrolliert und fotografiert, was zu einer unverzüglichen Protestnote seitens der indonesischen Botschaft und harscher Kritik der Muslimgemeinde führte.
Von der Razzia betroffen waren neben dem Hauptsitz der muslimischen Gemeinde Prag offenbar auch Privatwohnungen und ein weiteres Gebäude. Der Einsatz habe viereinhalb Stunden gedauert, währenddessen 20 Muslime verhört und eine unbekannte Anzahl verhaftet worden seien. Eine Person blieb auch 24 Stunden nach dem Einsatz weiterhin in Haft. Youtube-Filmaufnahmen zeigen wie Duzende maskierte Polizisten in SWAT-Anzügen die Moschee umstellen und Personenkontrollen durchführen.
Hintergrund des Polizeieinsatzes sei die Publikation einer technischen Übersetzung des Buches «The Fundamentals of Tawheed» des kanadischen Predigers Bilal Philips, welches angeblich antisemitische Passagen enthalte. Der Verhaftete soll demnach der Herausgeber der tschechischen Übersetzung sein. Pavel Hanták, Sprecher der Polizeieinheit zur Bekämpfung von organisiertem Verbrechen, sagte gegenüber Radio Prag: «Die konkrete Person ist verdächtig, ein Buch herausgegeben und in Umlauf gebracht zu haben, über dessen Inhalt Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit verbreitet wird.»
Völlig unverhältnismässig
Der Vorsitzende der muslimischen Gemeinde in Tschechien, Muneeb Hassan Alrawi, bezeichnete das Vorgehen der Einsatzkräfte jedoch als unverhältnismässig und kündigt rechtliche Schritte gegen die Zuständigen des Polizeipräsidiums an:
«Wir haben nichts gegen die Ermittlungen der Polizei, die Gesetze gelten für alle ausnahmslos. Wir protestieren aber gegen die Art und Weise, wie der Einsatz durchgeführt wurde und gegen den Umfang. Wir halten es für übertrieben und inadäquat, dass vermummte und schwer bewaffnete Polizisten während des Freitagsgebets in die Räumlichkeiten eindringen. Das ist der wichtigste Moment in der Woche für uns. Wir haben bereits eine Beschwerde beim Polizeipräsidium eingereicht und erwägen weitere rechtliche Schritte nach Beratungen mit unseren Rechtsvertretern.»
Alrawi bestätigte, dass der hauseigene Verlag der muslimischen Gemeinde das Buch herausgeben habe. Man werde das Buch nun noch einmal genau anschauen und dann entscheiden, ob die Behauptungen der Behörden überhaupt haltbar seien.
Protestkundgebung vor Innenministerium
Gegenüber Al-Jazeera äusserten sich Besucher des Freitagsgebets mit weniger Zurückhaltung. Sie werfen den Behörden einen islamophob motivierten Angriff auf die Muslime vor. Wäre es tatsächlich um ein Buch oder um eine Einzelperson gegangen, hätte man jene auch zuhause oder bei der Arbeit aufgreifen können. Die Tatsache, dass das freitägliche Zeremoniell gestört wurde, löste grossen Zorn unter den Prager Muslimen aus.
So versammelten sich vergangenen Freitag rund 500 Muslime anstatt in den Moscheen vor dem Innenministerium, wo sie aus Protest das Gebet unter dem Motto «schwarzer Freitag» verrichteten.
Quellen: صلاة أمام الداخلية التشيكية تنديدا باقتحام المساجد الجزيرة, Czech.cz, Tschechische Muslime kritisieren Razzia in Moschee während Freitagsgebet.