Majid bei einer Gerichtsverhandlung in Nairobi 2012
Majid bei einer Gerichtsverhandlung in Nairobi 2012

Der damals 18-jährige Bieler Gymnasiast Majid N. trat Anfang 2011 eine Reise nach Kenia an – wohl um sich der somalischen Shabâb-Miliz anzuschliessen. Seither sorgten seine Aktivitäten in der Schweiz laufend für Schlagzeilen. Vor zwei Wochen endete seine Reise in den syrischen Qalamûn Bergen tragisch. Majid N. wurde mutmasslich vom IS hingerichtet.

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Soviel vorweg: Dieser Fall bewegt viele Bieler Muslime und wohl auch ehemalige Klassenkameraden Majids. Meine Bekanntschaft mit dem jungen, als überaus intelligent beschriebenen Palästinenser beschränkt sich zwar auf die mediale Auseinandersetzung, die er mir als Pressesprecher des Islamischen Zentralrates sicher ohne Absicht beschert hat. Nachdem Majid N. Anfang 2011 verschwunden war, versuchten gewisse Journalisten seinen Abgang dem Islamischen Zentralrat anzulasten – freilich wie immer – ohne die Behauptung hinreichend zu begründen. Als Beweis musste genügen, dass Majid vorübergehend die Bieler Arrahma Moschee besuchte, in der auch IZRS-Präsident Nicolas Blancho ein- und ausging. Im weiteren Verlauf seines Wirkens wurde dieser Verdacht dann zwar nicht mehr aufgegriffen, jedoch auch nie deutlich genug für beerdigt erklärt.

Majid N. war allen Zeugnissen seiner Freunde und Bekannten nach ein ausserordentlich intelligenter Junge. Als Sohn palästinensischer Flüchtlinge (mit jordanischer Staatsangehörigkeit) gelang ihm in Biel der Sprung ans Gymnasium. Mindestens drei Sprachen war er bei seiner Abreise 2011 mächtig. Französisch, Deutsch und Arabisch waren ihm aufgrund des sozialen und familiären Milieus, in dem er aufwuchs, quasi in die Wiege gelegt. Seine ehemaligen Klassenkameraden beschrieben ihn als «ehrgeizig» und als «teamfähig». Auch im Schachclub hatte er verkehrt. Hier erinnerte man sich daran, dass er ein schlechter Verlierer gewesen sein soll – also offensichtlich ein Gewinnertyp?

Die Umstände seines plötzlichen Abtauchens Anfang 2011 sind weiterhin Gegenstand von Spekulationen. Die «Sonntagszeitung» sprach einst mit Abû Mansûr al-Amrîkî, einem amerikanischen Shabâb-Anhänger, der behauptet haben will, die Miliz habe die Reise Majids direkt mit 2500 USD finanziert. Al-Amrîkî fiel 2013 einer Shabâb-internen Fitna zum Opfer. Seine Aussagen lassen sich daher wie so vieles in der Causa Majid nicht mehr verifizieren.

Einzig feststehende Tatsache ist, dass Majid am 23. Februar 2011 am internationalen Flughafen von Nairobi eintraf und mit seinem jordanischen Reisepass offenbar ein «Visa on Arrival» mit 90-tägiger Gültigkeit erhielt. Danach verlieren sich seine Spuren bis er am 11. Mai 2012 von den kenianischen Behörden in Nairobi aufgegriffen wird. Man wirft ihm vor, sich illegal im Land aufzuhalten und sich in der Zwischenzeit der Shabâb-Miliz in Somalia angeschlossen zu haben.

In diese Zeit fällt eine Serie von Medienberichten in der Schweiz. Auch das in Genf ansässige «Geneva Center for Training and Analysis of Terrorism» (GCTAT) beschäftigt sich mit dem Fall, wenn auch der entsprechende anthologisch anmutende Bericht keine wirklich fruchtbaren Fakten zu liefern vermag. Alles bleibt spekulativ. Klarheit über seinen mutmasslichen Aufenthalt in Somalia gibt es bis heute nicht. Majid verbringt einige Zeit in kenianischer Haft, bis er offensichtlich Anfang 2013 nach Jordanien ausreisen darf. Die Behörden können ihm die vermuteten Beziehungen zur Shabâb nicht nachweisen. Die Schweiz hatte unterdessen eine Einreisesperre gegen den damals 19-jährigen Bieler Schüler erlassen und dies obwohl er nie rechtskräftig wegen staatsgefährdenden Straftaten verurteilt worden war. Gleichzeitig soll ein Ermittlungsverfahren wegen «Verdachts auf Beteiligung an beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Organisation» eingeleitet worden sein. Seine Eltern rekurrierten stellvertretend in der Schweiz gegen die Einreiseverweigerung des Fedpols, allerdings erfolglos.

Das Handeln des Fedpols aus der Postperspektive für richtig zu erklären, ist natürlich einfach. Tatsache ist, dass Majids weiteres Handeln nicht unwesentlich durch den Entscheid, ihm die Rückreise in seine Schweizer Heimat zu verweigern, determiniert worden ist.

Majid in Syrien

Ein gutes Jahr später, Ende April 2014, tauchte Majid ein erstes Mal in gleich zwei Videos der syrischen Jabhat an-Nusra als «Abû al-Walîd ash-Shâmî» auf. Einmal kommentiert er nach einem erfolgreichen Kampf gegen Asads Regimesoldaten deren Niederlage direkt vor Ort bei Tell Ahmar und einmal liest er in einer nicht identifizierten Moschee die Freitagspredigt. Ganz offensichtlich hat er es innert kürzester Zeit in eine leitende Funktion als lokaler «Shar’î» (theologische Führungsfigur mit Richterfunktionen) geschafft.

In seiner Freitagspredigt, die am 2. Mai 2014 auf Youtube zugänglich gemacht wurde, geisselt Majid das «Safawiden»-Regime al-Mâlikîs im Irak, welches einen Vernichtungskampf gegen die Sunniten angezettelt habe. Er pries die «Mujâhidûn» (ohne namentliche Nennung kann er nur den IS gemeint haben), welchen es in den vergangenen Tagen gelungen sei, «Tausende» Gefangene zu befreien und weite Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen. Gleichzeitig pries er «eure Geschwister von der Jabhat an-Nusra», denen es im Libanon gelungen sei, Angriffe auszuführen. Den Jihâd in Syrien sieht Majid als wichtige Zwischenstufe im Rahmen eines geografisch und zeitlich übergeordneten Endziels. So kämpften die «Mujâhidûn» in Syrien nicht, um das Land zu beherrschen, sondern um die Shari’a umzusetzen und davon ausgehend die Befreiung Palästinas ins Auge zu fassen. Genau dies zu verhindern, habe sich die US-geführte Allianz vorgenommen. Ihr Ziel sei es, eine Regierung an die Macht zu bringen, welche im Einklang mit ihren Interessen agiere und die Sicherheit Israels garantiere.

Wechsel zum Islamischen Staat

Irgendwann Ende 2014 muss Majid aus unklaren Gründen die Jabhat an-Nusra verlassen und sich dem IS zugewandt haben. Ob ideologische Beweggründe den Ausschlag gaben oder eher die Tatsache, dass der IS just in jener Zeit ein fulminantes Wachstum erfuhr und auch in der Gegend von Qalamûn an Handlungsfähigkeit gewann, bleibt offen. Gesichert ist dagegen, dass Majid, der sich nunmehr «Abû l-Walîd al-Maqdîsî» nennt, in einer am 31. Mai 2015 auf Youtube verbreiteten Tonbotschaft bereits wieder den Bruch mit dem IS öffentlich verkündet und dabei die lokalen Verantwortlichen der Organisation scharf kritisiert.

abu_walid_isBevor er dazu kommt, verteidigt sich Majid jedoch gegen allerlei Vorwürfe, denen er sich offenbar mittlerweile ausgesetzt sah. So sei er in Qalamûn zum allgemeinen Sündenbock für alle Missstände gekürt worden. Er werde als «schrankenloses Übel» beschrieben und dies obwohl er doch den Wohlstand in seinem Land (die Schweiz?) hinter sich gelassen habe und als Muhâjir in die Qalamûn-Berge gekommen sei, um auf dem Wege Allahs zu streiten. Wie könne so jemand der Sache des Jihâds Übel wollen, fragt Majid seine Adressaten. So sei er für die (dem IS angelastete) Entführung des FSA-Kommandanten ‚Urâba Idrîs verantwortlich gemacht worden, gefolgt von der Beschuldigung er trage die Verantwortung für die (dem IS zugeschriebene) Hinrichtung eines weiteren FSA-Kommandanten ‚Abd Allahs al-Bakkârs, bekannt als al-Muqanna‘ sowie die Ermordung einer ganzen Reihe weiterer oppositioneller Kräfte, in der Region Qalamûn. Schwerwiegender innerhalb den Reihen des IS hatte sich Ende Februar die Tötung des IS-Emirs Abû Usâma al-Bânyâsî ausgewirkt. Letzterer sei durch Majid zu einer Einvernahme vorgeladen, jedoch unter widersprüchlichen Umständen im Zuge der angeordneten Vorführung getötet worden. Majid ermahnt den Zuhörer, nicht vorschnell über ihn zu urteilen, sondern ihn anzuhören und geht dann über zu einer Reihe von Bemerkungen, die hier summarisch zusammengefasst seien:

-Er habe sich stets gegen das Khawârij-Gedankengut gewendet und seine Schüler (sic!) davor gewarnt. Insbesondere habe er davor gewarnt, den Takfîr ohne hinreichenden Beweis gegen Muslime zu verhängen. Dazu zählt er ein ganzes Sammelsurium an rechtswissenschaftlichen Differenzkategorien auf, wohl um zu zeigen, dass er sich tiefgreifend mit dem Thema beschäftigt hatte. Zudem verwehrt er sich gegen den Vorwurf, selbst zu den Khawârij zu gehören.

-Er habe sein Bestes versucht, Missstände im IS in der Region von innen her zu korrigieren, er habe stets auf Einheit der Mujâhidîn gepocht, habe jedoch feststellen müssen, dass die Leute, welche im Namen des IS agierten, eher eine Bande konstituierten, ohne klare Regeln, ohne Erfahrung dafür umso extremistischer (ghulû) und vor allem ohne überprüfbare Beitrittsbescheinigungen (Tazkiyyât). Weiter sei die Kriegsbeute nicht rechtmässig verteilt worden, Mobiliar der Muslime sei basierenden auf der gegenstandslosen Behauptung eingezogen worden, sie seien Apostaten (murtaddûn).

-Der IS habe keine Unterrichte organisiert, entsprechend habe er weitverbreitete Fehler in dogmatischen Auffassungen sowie Innovationen (bid’a) vorgefunden. Er beschuldigt die IS-Führung gar, «sufisch und ash’aritisch» geprägt zu sein.

-Im IS herrsche Korruption: So habe er gesehen, dass 250 Personen mit Lohnanspruch registriert seien, wobei es tatsächlich in der betroffenen Region nicht mehr als 85 IS-Leute gebe und dies während viele «Brüder» Mangel an Bekleidung und Ernährung litten.

-In wenigen Wochen sei es ihm gelungen mehr als 800 Kämpfer unter dem Banner des IS zu einen, ein Shari’a-Gericht zu gründen, ein Nothilfebüro zu eröffnen und eine Schule zu gründen, doch leider hätten die Korrupten sich dagegen verschworen.

-Qalamûn habe es nicht an Kämpfern gefehlt, sondern an Wissenden, die die Menschen unterrichten und die Kämpfer einten. Doch man habe sich gegen ihn verschworen.

Ermordung des FSA-Kommandanten ‚Urâba Idrîs

Am Beispiel des FSA-Kommandanten ‚Urâba Idrîs versucht Majid aufzeigen, wie sehr das Handeln des IS auf Willkür und Hinterlist beruhe. Die Episode unverkürzt übersetzt:

uraba«Der Überfall auf das Hauptquartier von ‚Urâba Idrîs ist ohne mein Wissen geschehen – und Allah ist Zeuge dessen, was ich sage. Ich stand auf und betete al-Fajr, als ich über mein Funkgerät hörte, dass es zu einer Mobilmachung der Soldaten des [Islamischen] Staats kommt. Als ich fragte, was vor sich gehe, sagten sie mir, dass ‚Urâba unsere Hauptquartiere angegriffen habe. Dann als mir ‚Urâba vorgeführt wurde, schlug ich ihn und beschimpfte ihn, „du Verräter, hast du uns verraten und unsere Hauptquartiere angegriffen?“. Als ich dann mit der Einvernahme begonnen hatte, war ich erstaunt und erschrocken – erstaunt darüber, dass wir diejenigen waren, die seine Hauptquartiere angegriffen hatten und dass der Mann sich ergeben hatte. Da verlangte ich von den

Emiren in Qalamûn, dass sie mir die Beweise vorbringen und [konkrete] Anschuldigungen gegen ihn aussprechen sollen. Da erstaunte ich mich, dass sie weder Beweise noch [konkrete] Anschuldigungen hatten. So entschloss ich mich, ihn freizulassen. Darauf begann eine grosse Anzahl der Emire des [Islamischen] Staats mir hier Druck zu machen, auf dass sie mir sagten, dass ich getötet würde, wenn ich ihn freilasse, weil ich dann als einziger die Verantwortung tragen müsse, was danach geschehe. Denn sie behaupteten, dass ‚Urâba einen mächtigen Krieg gegen den Islamischen Staat lostreten würde. Aber ich sagte ihnen: Es ist mir nicht anders möglich, die Tötung eines Muslims zu verfügen, ausser durch einen unumstösslichen Beweis. So habe ich nach vier Tage seiner Gefangenschaft, ihn für unschuldig erklärt und mich selbst zur Auspeitschung in aller Öffentlichkeit vor den Menschen verurteilt und Allah ist Zeuge dessen, was ich sage.»

Über die genauen Hintergründe, weshalb sich Majid selbst eine öffentliche Auspeitschung auferlegte, gibt er keine weitere Erklärung ab. Als Richter hat er die Befugnis unter dem Kapitel ta’zîr Strafen wie das Auspeitschen bspw. für Vergehen gegen den Public Order, d.h. auch Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit zu verhängen. Möglicherweise verstand er sein der moralischen Aufrichtigkeit geschuldetes Handeln gleichzeitig als solchen Verstoss. Vielleicht versuchte er damit aber auch den angedrohten Repressalien durch die Emire zuvorzukommen.

Selbstdispensation vom Shari‘-Amt des IS

Die ungeklärte Tötung von IS-Emir Abû Usâma al-Bânyâsî im Zuge einer durch Majid angeordneten polizeilichen Vorführung zwecks Einvernahme schien schwerwiegenden Differenzen innerhalb des IS in der Region Qalamûn nach sich gezogen zu haben. Majid seinerseits gibt an, in keiner Weise Gewalt gegen Abû Usâma angeordnet zu haben. Er habe ihn lediglich vernehmen wollen, habe aber keine Zwangsmassnahmen verordnet, sondern lediglich verlangt, dass man ihm ein Schreiben übergebe, welches ihn über seine Einbestellung informiere. Majid gibt an, von der Nachricht über den Tod Abû Usâmas überrascht worden zu sein. Er habe sofort eine detaillierte Untersuchung des Vorfalls verlangt. Dies jedoch sei bei den Emiren auf wenig Interesse gestossen.

So habe er die Konsequenzen gezogen und sei als Richter in den Ausstand getreten. Majid gibt an, er habe sich Ende Februar 2015 von allen Aufgaben selbst dispensiert und sei – weiterhin nach einer Untersuchung verlangend – in die Reihen des gewöhnlichen Volkes übergegangen und sei von nun an nicht mehr Angehöriger des Islamischen Staates.

Er schliesst mit den Worten: «Und wisset, wir haben die Dunya nicht verlassen, um ins Feuer zu gelangen und dass wir uns Dem zuwenden, neben dem es keine andere anbetungswürdige Gottheit gibt, und dass wir uns Dem zuwenden, neben dem es keine andere anbetungswürdige Gottheit gibt (sic!). Wenn wir einen Fehler gemacht haben oder Unrecht gegenüber jemandem verursacht haben, so sind wir bereit und wir hoffen, dass Der, neben dem es keine andere anbetungswürdige Gottheit gibt, uns in der Dunya bestrafen wird, so dass wir nicht im Jenseits bestraft werden. Allah sei Zeuge dessen, was ich sage, und der Dank gebührt Allah, dem Herrn der Welten und unser letztes Bittgebet sei dies, dass der Dank Allah dem Herrn der Welten gebühre. Und Allah setzt das durch, was Er beschliesst. Die meisten Menschen aber wissen es nicht.»

Majids Ermordung

Am 15. Juni 2015 erschienen erste Berichte in arabischen Online-Medien, die über das gewaltsame Ableben Majids berichten. Folgende Version, welche sich weder unabhängig überprüfen lässt, noch in allen Punkten völlig korrekt sein kann, hat sich allgemein durchgesetzt:

Demnach hätte Majid mit seiner syrischen Ehefrau zuletzt in einem Zelt abgesondert von allen anderen Kämpfern gelebt, als unvermittelt eine Gruppe IS-Kämpfer auftauchte und Majid dreimal in die Füsse schoss. Über drei Tage hinweg hätten sie ihm den Zugang zu medizinischer Versorgung verweigert. In jener Zeit habe er mit seiner Mutter telefoniert und sie über seinen sich verschlechternden Zustand informiert. Am dritten Tag sei er dann – je nach Darstellung – durch einen Schuss in den Brustkorb getötet worden oder infolge seiner Verletzung an den Füssen verblutet.

Über das Schicksal seiner Frau herrscht ebenfalls Unklarheit. In den Medienberichten heisst es, seine Frau hätte sich bei anderen Frauen zunächst versteckt gehalten, sei dann aber von einem IS-Kommando aufgespürt und zusammen mit jenen erschossen worden. Dieser vermutlich propagandistisch etwas grosszügig ausgeschmückten Version wird via Twitter widersprochen. Demnach sei seine Frau wohl auf. Bestätigt wird indessen allerseits, dass Majid selbst hingerichtet worden sei.

Der IS seinerseits hat sich bisher – wie man es aus vergleichbaren Fällen kennt – nicht zum Sachverhalt geäussert. Mehr Details dürften nur von seinen derzeit unauffindbaren Eltern und der syrischen Witwe zu erfahren sein, wenn es denn gelingt, jene in Zukunft zu kontaktieren.

Eine Geschichte voller Fragezeichen

Nicht nur diese letzten Momente im kurzen aber inhaltsvollen Leben des jungen Bielers werfen Fragen auf. So muss wohl unklar bleiben, was sich in Kenia bzw. wenn er denn wirklich in Somalia war, genau zugetragen hatte. Weshalb sollte er Somalia wieder verlassen haben? War er tatsächlich so schwer verletzt worden, dass eine Behandlung in Nairobi nötig war oder gab es allenfalls bereits da ideologische Differenzen mit Shabâb-Emiren?

Was geschah in Jordanien? Ist es nicht wahrscheinlich, dass die Behörden ihn bei seiner Ankunft für einige Zeit inhaftiert und eventuell sogar gefoltert haben? Sein Vater geniesst in der Schweiz nach eigenen Angaben politisches Asyl, weil er beim Regime in Amman in Ungnade gefallen sei. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht die Aufgabe der Schweizer Behörden gewesen, einer Abschiebung Majids nach Jordanien durch die Gestattung der Rückreise in seine de facto Heimat zu ermöglichen? Die Vorwürfe gegen den jungen Mann hätten doch Schweizer Gerichte nach hiesiger Rechtsauffassung besser prüfen können als jordanische Folterknechte?

Sowohl die Umstände seines Abgangs nach Syrien wie auch der spätere Bruch mit der Jabhat an-Nusra stellen uns vor Rätsel. Ideologisch war Majid seiner letzten Tonbotschaft nach zu urteilen beim IS nie wirklich zuhause. Auf der anderen Seite gibt es keine öffentliche Kritik an der Jabhat an-Nusra nach dem Seitenwechsel. Was hat ihn also dazu gebracht, seiner ideologisch angestammten Heimat den Rücken zu kehren und sich in die Ränge des so undurchsichtigen Islamischen Staates zu begeben?

Der Nachruf muss an dieser Stelle freilich unbefriedigend enden. Zu wenig ist über Majid, sein Leben und letztlich sein Sterben für den Jihâd bekannt. Wer sich mit den verfügbaren Eckdaten seiner Biografie beschäftigt, kriegt den Eindruck, dass sich Majid der Tragweite seines Handeln jederzeit bewusst war und einige würden sagen naiv, andere mutig nach Gerechtigkeit suchte, dabei jedoch von der ungerechten Realität eingeholt und letztlich eines ihrer Opfer geworden ist.

Es bleibt nur der Wunsch und die Bitte an den Allmächtigen, subhâna wa ta’âla, dass Er, dessen Verständnis von Gerechtigkeit weit über den uns bekannten Kategorien von Gerechtigkeit liegt, der jungen Seele Majids gnädig sein möge. Möge sein Vermächtnis allen Gerechten als Andenken dienen.

«Wahrlich, wer rechtschaffen und geduldig ist – nimmermehr lässt Allah den Lohn derer, die Gutes tun, verlorengehen.» [HQ, 12:90]

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