Bern, 19.09.2010
Feministin Julia Onken macht sich für ein Burka-Verbot in der Schweiz stark. Von ausländischen Frauenrechtlerinnen hagelt es aber Kritik. Diese haben bereits erkannt, dass Muslima sein nicht mit blindem Gehorsam gleichzusetzen ist. Deutsche und amerikanische Akademikerinnen sehen strukturelle Parallelen zu der Zeit des Kolonialismus in der ebenfalls ein Bestreben vorhanden war, «die unterdrückte Muslima» zu befreien. Sie sprechen daher von einem «kolonialen Feminismus».
Von Nora Illi
In der Ausgabe der «Weltwoche» vom 22. Dezember des vergangenen Jahres («Fussball macht die Frauen stolz») wurde noch fröhlich berichtet «über die weibliche Lust am Ball und die Freude von Musliminnen, die mit Kopftuch aufs Tor losstürmen». Da sieht Frau wie schnell die Zeiten sich ändern, denn unterdessen prahlt der Walliser Sepp Blatter, Präsident des Weltfussballverbandes Fifa, damit, dass er die iranischen Fussballerinnen ohne Hijab an die Olympischen Jugendspiele in Singapur geschickt hat. Der Volleyball-Weltverband FIVB setzt auf eine andere Art seine eigenen strengen Bekleidungsvorschriften durch: Beim Beachvolleyball dürfen die Bikini-Slips der Frauen auf der Seite nicht breiter als sieben Zentimeter sein. Tops haben seitlich ungefähr die gleiche Länge. 99 Prozent des nackten Frauenkörpers dienen dann mit temporären Tatoos als Werbefläche für Sponsoren. Ohne diese frauenverachtende und sexistische Reduzierung des weiblichen Körpers als Sexobjekt – ein erschütterndes Frauenbild – hätte es das Beachvolleyball wohl nie zur olympischen Disziplin gebracht. Nur ein Heuchler kann behaupten, er schaue lediglich auf die heimlichen Handzeichen der Athletinnen vor dem sandverklebten halbnackten Po.
Selbstbewusste Frauen mit Hohn und Spott überschüttet
Doch wehe wenn es Frauen gibt, die sagen: «Da mache ich nicht mit!» Bekamen sie früher noch die Unterstützung von bekannten Feministinnen, werden selbstbewusste Frauen heute mit Hohn und Spott überschüttet – erst recht wenn sie Musliminnen sind. «Die Schweiz muss dem Beispiel von Frankreich folgen und die Burka verbieten. Der ‚Ganzkörperschleier’ steht für eine Unterdrückung der Frauen und ein Denksystem, das eine Integration verunmöglicht», schreibt Julia Onken in der «Weltwoche» vom 20.Juli in ihrem Essay. Ausgerechnet Julia Onken, eine Feministin die auf ihrem Blog (www.julia-onken.ch) Werbung macht für ihre Modelinie «‘Femme suisse‘ – die Mode, in der Frau denken und sich frei bewegen kann». Frauenrechtlerinnen wie Onken wollen es partout nicht wahrhaben, dass im Islam die Frau eine hohe Anerkennung hat, welche sich auch in der Sexualität widerspiegelt. Eine Muslima kritisiert aber die Verwechslung von erotisierter Selbstdarstellung und sexueller Freizügigkeit mit Emanzipation und persönlicher Freiheit. Dass muslimische Frauen von Seiten des Europarates Recht bekommen, wird gerne überhört oder ignoriert. Ein Burka- bzw. ein Niqab-Verbot stecke Frauen und Mädchen «quasi in eine Zwangsjacke, die häufig entwürdigend, erniedrigend und entmündigend ist», heisst es in einem Berichtsentwurf des Ausschusses für die Gleichstellung der Geschlechter des Europarates. Während viele Männer sexualisierte Sport-Werbung mögen, finden wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge 58 Prozent der Frauen, dass es zu viel Sex in der Werbung gibt. Würden aber die russische Tennisspielerin Anna Kournikova oder die Amerikanerin Venus Williams mit langen Trainerhosen auf dem Platz stehen, würden die Einschaltquoten zusammenbrechen und die Sponsoren davonspringen. Der Wunsch der Musliminnen, ihre Reize zu bedecken, steht also nicht im Einklang mit der Vermarktung der Frau als Sexobjekt in der Werbung. Eine stolze Muslima lässt sich aber nicht versklaven oder zum Konsumgut reduzieren.
Die neue Flagge der Mode gegen alles Islamische
Statt sich für eine gleiche Entlohnung von Frau und Mann bei gleicher Arbeit in der Wirtschaft – oder sogar in Teilen der schweizerischen Bundesverwaltung – einzusetzen, möchte Julia Onken das Selbstbestimmungsrecht der Frau – der Muslima – beschneiden. Frankreich zeige Flagge und ist nach Belgien das zweite Land in welchem Menschenrechte als Frauenrechte umgesetzt würden, jubelt die Psychologin und Buchautorin. Welche Flagge? Ist es die Trikolore mit der Marianne, die französische Freiheitsheldin, vor über 200 Jahren mit entblössten Brüsten die Volksmassen zum Sturm auf die Bastille anführte? Nein, es ist die neue Flagge der Mode, gegen alles Islamische anzukämpfen. Befürworter eines Gesichtsschleier-Verbotes wie Julia Onken legen ein koloniales Machtgehabe an den Tag. Ihr Ziel ist die «Zwangsemanzipation» der Muslima nach «westlichen Massstäben». In diesem Punkt hagelt es aber Kritik von anderen Frauenrechtlerinnen wie Birgit Rommelspacher, Gabriele Dietze oder der Philosophin Martha Nussbaum. Diese haben bereits erkannt, dass Muslima sein nicht mit blindem Gehorsam gleichzusetzen ist. Teil dieser «zivilisatorischen Mission» sei schon zu Zeiten des Kolonialismus ein Bestreben gewesen, «die unterdrückte Muslimin» zu befreien, stellte kürzlich Harvard-Professorin Leila Ahmed fest. Sie spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem «kolonialen Feminismus». Wer zögert, die Machtanmassungen des Kolonialismus mit Feminismus zusammen zu denken, der sollte wissen, dass auch im Nationalsozialismus Frauen ihre «rassische» Überlegenheit mit ihrem Einsatz für die Gleichstellung von Mann und Frau begründeten. Selbsternannte Feministinnen kämpften in den Dreissigerjahren gegen das «orientalisch-jüdische Patriarchat», weil dies die ursprüngliche, germanische Gleichstellung der Frau zerstört habe.
Julia Onken schon bald den Prototyp des Frauen-Unterdrückers
Mit ihrer Forderung nach einem Sondergesetz gegen muslimische Frauen gibt Julia Onken schon bald den Prototyp des postmodernen Frauen-Unterdrückers ab. Das wird kaum eine kurze Episode bleiben, können sich doch Feministinnen, die dieses Bild kolportieren, auf einen breiten Konsens in der Gesellschaft und auf mächtige Stimmen in den Medien und aus den verschiedensten politischen Lagern stützen. Mit der Muslima, welche es vor dem unterdrückenden orientalischen Patriarchen, zu retten gilt, soll ein neues einheitliches Feindbild geschaffen werden. Dass Julia Onken sich nur «einige Wochen» mit dem Islam beschäftigt hat, und selber zum Werkzeug des okzidentalen Patriarchats geworden ist, gibt sie auf ihrem Blog unumwunden zu. Dort heisst es: «Wenn sich Frauen gegenseitig verpfeifen ist dies bedauerlich, erfüllt es doch genau ein unrühmsames Klischee, das Frauen anhaftet. Nun ich weiss, die partriarchale Hirnwäsche hat eben in vielen weiblichen Köpfen nachhaltig Schmauchspuren hinterlassen…».
Nun Frau Onken, wir muslimischen Frauen stehen zu unserem Schleier. So wie wir ihn uns von keinem Patriarchat aufzwingen lassen, so verwehren wir uns gegen ihren zwanghaften Maternalismus.