#### Sperrfrist bis 08.05.2011, 00.01 Uhr ####
Kommuniqué 06052011-0034
Bern, 06.05.2011
Islamischer Zentralrat bedauert BVG-Urteil in Sachen negativer Sicherheitsprüfung eines praktizierenden Muslims
Der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) bedauert den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichtes im Falle eines praktizierenden Muslims die negative Sicherheitsprüfung der Fachstelle für Personensicherheitsprüfungen im Bereich Informations- und Objektsicherheit (IOS) aufrecht zu erhalten. Zwar wird die vom Islamischen Zentralrat finanzierte und begleitete Beschwerde teilweise gutgeheissen. In den wesentlichen zwei Punkten hält das Bundesverwaltungsgericht jedoch am Entscheid der Vorinstanz fest.
Demnach wird der Betroffene weiterhin als «Sicherheitsrisiko im Sinne von BWIS und PSPV» betrachtet und ihm der Zugang zu vertraulichen oder geheimen Dokumenten sowie zu militärischen Anlagen der Schutzzonen zwei und drei verwehrt. Paradoxerweise wird die Empfehlung der Vorinstanz, dem Oberleutnant die Dienstwaffe zu entziehen, aufgehoben. Dennoch ist unter diesen Umständen an eine Weiterführung der angestrebten Armeekarriere nicht zu denken. Seit Eröffnung der negativen Sicherheitsverfügung vom 01.07.2010 ist der Betroffene vom Dienst suspendiert. Ob er nun ganz aus der Armee ausgeschlossen oder ihm eine Position minderer Verantwortung zugewiesen wird, ist noch nicht bekannt.
Schweizer Islam-Konvertit bot sich als Vermittler an
Beim Betroffenen handelt es sich um einen gebürtigen Schweizerbürger, der 2008 zum Islam konvertierte. Er ist gelernter Maschinenbaukonstrukteur. 2010 bot er sich in einem Schreiben dem Chef der Armeeseelsorge als Vermittler zwischen Armee und Muslimen an. Anlass bot damals ein «Merkblatt für nicht-christliche Armeeangehörige», das u.a. von Muslimen verlangte die fünf Pflichtgebete auf einmal z.B. am Abend zu verrichten. Dies ist jedoch gemäss allen islamisch-juristischen Lehrmeinungen nicht gestattet. Die Pflichtgebete müssen entsprechend dem Sonnenstand zu bestimmten Zeiten am Tag verrichtet werden. Der Betroffene wollte mit seinem Schreiben an die Armee auf diesen Missstand im Merkblatt aufmerksam machen. Ausserdem publizierte er den Leserbrief mit dem Titel «Das Pflichtgebet ist auch im Militärdienst nicht verhandelbar» als Antwort auf eine Meldung der NZZ vom 18.04.2010 mit dem provokativen Titel «Extrawurst für muslimische Soldaten».
Nach freier Meinungsäusserung zum Sicherheitsproblem geworden
Kurz darauf erhielt der 27-jährige Oberleutnant eine Vorladung nach Bern. Nachdem bereits im Januar 2010 eine routinemässige Sicherheitsprüfung positiv verlaufen war, wurde nun eine neue angeordnet. Der Betroffene musste sich einen Nachmittag lang teils intime Fragen hinsichtlich seiner religiösen Praxis von Seiten eines VBS-Gremiums gefallen lassen. Anders als noch im Januar spielte nun auch ein bis ins Jahr 2007 zurückreichender Strafbefehl wegen gelegentlichem Mariuhana-Konsum eine Rolle. Nicht der Konsum anundfürsich, sondern die Haltung des Betroffenen, wonach er das gelegentliche Rauchen eines Joints in Übereinstimmung mit der allgemeinen öffentlichen Meinung als nicht gravierend beurteilte, erschien den Verantwortlichen des VBS ausschlaggebend zu sein. Daraus leiteten sie eine prinzipiell verminderte Gesetzestreue ab.
Religiöser Wahrheitsanspruch als problematisch eingestuft
Dass der religiös praktizierende Oberleutnant in objektiver Übereinstimmung mit seiner Glaubenslehre, dem Islam, auf der theologischen Ebene einen absoluten Wahrheitsanspruch gegenüber anderen Religionen zuwies, wurde gestützt auf Vermutungen a priori und obwohl ihm dies in der Praxis nie zum Vorwurf gemacht wurde eine «Tendenz zur Diskriminierung» Andersgläubiger unterstellt:
«Psychologisch betrachtet, ist in diesem Zusammenhang von einer Tendenz zur Diskriminierung von Personen mit einem anderen Glauben bzw. einem divergierenden Praktizieren des Islams auszugehen. Es ist folglich davon auszugehen, dass sich Ihre vorgestellte Überlegenheit gegenüber anderen Menschen in Ihrem Verhalten sowie auch in Ihren Äusserungen manifestiert, was wiederum andersdenkende Menschen verletzen könnte.»
Islamischer Zentralrat sieht Anzeichen struktureller Islamophobie und Willkür
Wie sie selbst mitteilt, stützt sich die Fachstelle für Personensicherheitsprüfungen im Bereich Informations- und Objektsicherheit (IOS) nicht auf «harte Fakten» und handelt bei der Entscheidungsfindung auch nicht nach dem Grundsatz «in dubio pro reo». Dies erhöht freilich ihre Anfälligkeit für vorschnelle und durch mediale Stereotypen beeinflusste Entscheide. Im Falle des betroffenen Oberleutnant spielte eine wie auch immer geartete Negativhaltung gegenüber dem Islam offensichtlich eine beträchtliche Rolle, glich doch die Einvernahme in Bern einer inquisitorischen Gewissensprüfung, die vor allem auf religiöse Ansichten abzielte. Es ist davon auszugehen, dass auch ein praktizierender Christ oder Jude subjektiv seine Religion als die einzig wahre betrachtet. Ob dies im gleichen Ausmass problematisiert würde, ist höchst fraglich.
Fakt ist, dass der Negativentscheid der mit Herzblut angestrebten militärischen Karriere des Betroffenen definitiv ein Ende setzt. Der 27-jährige Schweizer ist sich keiner Schuld bewusst. Er handelte stets korrekt, etwas anderes konnte ihm die Untersuchnungskommission auch nicht nachweisen. Der Islamische Zentralrat betrachtet den jungen Konvertiten als Opfer einer zunehmend islamophoben Grundhaltung der Öffentlichkeit. Was vor einigen Jahren an den Stammtischen begann, diffundierte in der Zwischenzeit offensichtlich bis in die oberen Kaderränge des Bundes.