Bern, 31.12.2010
(qi) Rund 250 Besucherinnen und Besucher interessierten sich für den deutschen Islam-Action-Film Al-Enam 6:122, der am Donnerstagabend zum ersten Mal in der Schweiz zu sehen war. Veranstaltet wurde der Event vom neuen nationalen islamischen Jugendverein VIJS (Vereinigung Islamische Jugend Schweiz).
Auch Muslime brauchen Helden
Der Hauptdarsteller Coskun Gezer und sein Produzent Talha waren im Rahmen eines einleitenden Podiums selbst auf die Bühne gestiegen, um sich den Fragen der begeisterten Menge zu stellen. Gezer und Talha sehen in ihrer Arbeit keineswegs einen Selbstzweck. Der Film sei vielmehr ein wichtiges Medium für den Transport einer prägnanten Botschaft und trete daher komplementär, d.h.ergänzend neben die klassische Predigt.
Ausserdem sei es unablässig, dass durch den Film Helden aus der islamischen Früh- und Kulturgeschichte wie z.B. Khalid ibn Walid oder ‘Amr ibn al-‘Aas den Menschen wieder zugänglich gemacht würden. Andernfalls dürfe man sich nicht wundern, wenn muslimische Kinder ihre Helden in zweifelhaften TV Produktionen oder Romanen suchten.
Low Budget Film
Gezer betonte, dass Al-Enam 6:122 praktisch mit einem Null-Budget entstanden sei. Als Kamera kam ein 300 Euro Spiegelreflexappart mit Videofunktion zum Einsatz. Das Resultat ist indes beachtlich. Sowohl die Kameraführung wie auch der Schnitt erinnern an professionelle Kino-Action Filme. Auch die inhaltliche Stringenz steht einem Hollywood-Streifen in nichts nach.
Handlung
Der Film besteht aus einer Rahmen- und einer Binnenerzählung, die am Ende in eine und dieselbe Ebene übergehen. Die Rahmenerzählung handelt in einem Park, wo Abdullah gerade einen Stumpen rauchen möchte, als ein orthodoxer Muslim neben ihm Platz nimmt und ihm eine „Geschichte“ erzählen möchte. Die „Geschichte“ funktioniert als Binnenerzählung.
Darin spielt Gezer die Hauptfigur Hamza, ein gebürtiger Muslim, der jedoch auf die schiefe Bahn gerät und sich mit seinem Freund Attila im organisierten Verbrechen zu etablieren versucht. Als er den Auftrag kriegt, einen orthodoxen Muslim zu erschiessen, rettet sich jener, indem er Hamza eine „Geschichte“ erzählt.
Es ist dies die Geschichte eines Autofahrers, der auf einer langen Strasse immer wieder von Personen angehalten wird, die sich ihm als Mitfahrer und Gefährten anerbieten. Der erste heisst Dollar, der zweite Euro und der dritte Dunya. Der Fahrer entscheidet sich alle drei mitzunehmen und aus Platzmangel und Ignoranz gar seine Kinder am Strassenrand stehen zu lassen. Als ihn ein vierter Mann, Islam, anhält, verweigert er ihm unter höhnischem Spott die Mitfahrt. Kurz darauf kommt die Strasse an ein Ende. Eine Mauer versperrt die Weiterfahrt und Malik al Maut erklärt, dass hier Endstation sei. Der Fahrer versucht zwar noch den Malik al Maut mit Dollar, Euro und Dunya zu bestechen, jener jedoch will nur Islam, den man im Rückspiegel noch sehen kann. Er fragt, den Malik al Maut darauf hin, ob es nicht möglich sei, noch rasch die 50 Meter zurückzufahren, um den Islam mitzunehmen – zu spät. Rien ne va plus!
Diese Geschichte beeindruckt Hamza derart, dass er sich entscheidet aus dem organisierten Verbrechen auszusteigen. Davon überzeugt er auch seinen Freund Attila. Beide stellen sich mit Hilfe des orthodoxen Muslims ihrer Vergangenheit und damit auch der Justiz und sitzen ihre Strafe ab. Im Gefängnis wenden sie sich indes völlig dem Islam zu und werden durch den Glauben zu neuen gesellschaftsfähigen Menschen.
Die Rahmenerzählung endet indes so, dass Abdullah, seinen Stumpen entsorgt und stattdessen mit dem orthodoxen Muslim zusammen Hamza und Attila im Gefängnis besucht…
Umkehrung gesellschaftlicher Stereotypen
Der Film verkehrt die gängige und weit verbreitete Annahme, wonach der Islam gesellschaftlich eher eine desintegrierende als integrierende Funktion einnehme. Für einmal wird an einem durchaus nicht unrealistischen Beispiel aufgezeigt, wie sehr der Islam dem Menschen Sinn im Diesseits vermittelt, dass er sich zu einem positiven Faktor für Gesellschaft und Staat entwickeln kann.