Stein des Anstosses: Das Händedruck-Verbot im Islam
Stein des Anstosses: Das Händedruck-Verbot im Islam

Der Islamische Zentralrat verfolgt die aufgeheizte Debatte, um den Wunsch zweier Schüler in Therwil, weiblichen Lehrpersonen die Hand nicht zu reichen, mit Besorgnis und Irritation. Er rät allen Beteiligten dringend, die Diskussion zu versachlichen und mit Besonnenheit nach einem raschen Ausweg zu suchen.

Kommuniqué 04042016-0126

Derzeit dominiert eine befremdliche Emotionalität die meisten Wortmeldungen zum Thema. Man könnte meinen, der Fortbestand eines Schweizer Kernwerts sei in Frage gestellt worden. Dabei geht es im konkreten Fall, um nicht mehr als zwei Sekundarschüler, die den Wunsch geäussert hatten, ihre Lehrerin auf eine andere Art und Weise als per Händedruck begrüssen und verabschieden zu dürfen. Dies weil sie der Ansicht sind, dass der Islam ihnen den Körperkontakt zum anderen Geschlecht nicht gestatte.

Im Rahmen eines klärenden Gesprächs konnte eine für alle Beteiligten gütliche Lösung erzielt werden. Das Problem war ursprünglich gar nicht die Frage des Händedrucks an sich, sondern ein Missverständnis. Eine Lehrerin glaubte sich durch den Wunsch der beiden Schüler ihres Geschlechts wegen diskriminiert. Dass dies nicht der Fall sei, da ja auch Musliminnen Männern die Hand nicht reichen (Rezipriozitätsprinzip), konnte im Verlauf des Gesprächs geklärt werden. Dennoch vereinbarte man, dass die Schüler zukünftig weder Männern noch Frauen die Hand drücken sollen, um dem Gefühl der Diskriminierung keinen Vorschub zu leisten.

Dass der niederschwellige Kompromiss, dem alle Beteiligten zugestimmt hatten, nun via Islam-Arena in die öffentliche Diskussion gebracht wurde, ist nicht förderlich. Der Islamische Zentralrat rät allen Beteiligten, die Debatte zu versachlichen und auf eine weitere unnötige Aufheizung zu verzichten. Er erwägt insbesondere, dass:

-die Debatte wie sie derzeit geführt wird, dem sozialen Frieden im Land keinen Dienst erweist.
-radikale politische Forderungen, welche von verschiedener Seite erhoben werden nicht zielführend und letztlich auch nicht umsetzbar sind.
-die Äusserung von Bundesrätin Sommaruga nicht zur Versachlichung der Debatte beitragen wird.
-erneut der Stereotyp eines frauenfeindlichen Islams bedient wird.

Fatwa soll Klarheit schaffen

Der Islamische Zentralrat hat ein islamisches Rechtsgutachten zum Thema Händedruck zwischen Mann und Frau erstellt. Darin kommt er zum Schluss, dass es zwar in jüngster Zeit einzelne Gelehrte gab, die den Händedruck zwischen Mann und Frau im Sinne eines Grussrituals und unter Einschränkungen für zulässig erklärt haben. Die klassische Jurisprudenz sowie die überwiegende Mehrheit in der zeitgenössischen Rechtslehre geht jedoch von einem klaren Verbot dieser Berührungsform für beide Geschlechter aus. Aus dem juristischen Diskurs ergeht klar, dass das Motiv des Berührungsverbots nicht in der Diskriminierung des weiblichen Geschlechts liegt, sondern vielmehr dem Schutz der körperlichen Integrität von Mann und Frau dienen soll.

Der Islamische Zentralrat rät Lehrpersonen und Schulbehörden im Umgang mit praktizierenden Muslimen zu Toleranz, insbesondere bei solchen Situationen, die den Unterricht in keiner Weise beeinträchtigen. In einer offenen, pluralistischen und toleranten Gesellschaft muss es möglich sein, den Alltag mit dem Islam in Einklang zu bringen. Wird hingegen ganz nach den Beispielen Frankreichs und Belgiens Intoleranz auch in den banalsten Fragen des Zusammenlebens zum Leitmotiv erhoben, darf man sich nicht wundern, wenn sich betroffene muslimische Jugendliche zunehmend marginalisiert fühlen und sich in der Folge von der Gesellschaft abwenden.

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